"Den Juden bin ich ein Christ, den Christen ein Jude, den Russen bin ich ein Deutscher, den Deutschen ein Russe, den Klassikern ein Zukünftler, den Zukünftlern ein Retrograder usw. Schlussfolgerung: ich bin weder Fisch noch Fleisch - ein jammervolles Individuum."
Bildquelle: Hyperion Records
CD-Tipp 14.06.2014
Anton Rubinstein: Klavierquartette
Anton Rubinstein saß sein Komponistenleben lang zwischen den Stühlen, es hat ihm oft geschadet: Einflussreiche Kollegen wie Modest Musorgskij oder der Musikkritiker Alexander Serov pflegten eine Intimfeindschaft zu dem wenig in nationalrussischen Kategorien denkenden Kosmopoliten. Und sie neideten dem äußerst erfolgreichen Klaviervirtuosen, Komponisten und Konservatoriumsgründer jeden Triumph, auf der Bühne und hinter den Kulissen. Es hat ihn aber auch stark gemacht, das Zwischen-den-Stühlen-Sitzen: Anton Rubinstein war neben Franz Liszt der beliebteste und brillanteste Pianist des späten 19. Jahrhunderts, die Frauen sind reihenweise in Ohnmacht gefallen bei seinen charismatischen Auftritten auf den Bühnen Europas.
Unermüdlich hat Anton Rubinstein komponiert, über 20 Opern, die damals zu den meistgespielten in Petersburg, Moskau, Berlin, Dresden und Wien gehörten. Und Kammermusik, natürlich mit seinem Instrument, darunter zwei Klavierquartette, op. 55 und op. 66. Das eine für gemischte Bläser, das andere in der klassischen Streicher-Variante, in der beide jetzt als Neu- und Erstaufnahme vorliegen, mit dem australischen Pianisten Leslie Howard und versierten Kollegen.
Der Liszt-Spezialist Leslie Howard findet auch für die Kammermusik des Liszt-Rivalen Anton Rubinstein die richtigen Zwischentöne: im Quartett F-Dur aus den 1850er-Jahren eher die an Mendelssohn erinnernden filigranen, im Quartett C-Dur von 1866 die aufwühlenden, widerborstigen, leidenschaftlichen. Beide Werke sind mehr als nur die Entdeckung wert, zumal in einer so stilsicheren und homogenen Interpretation!
Klavierquartett F-Dur, op. 55bis
Klavierquartett C-Dur, op. 66
Leslie Howard (Klavier)
Rita Manning (Violine)
Morgan Goff (Viola)
Justin Pearson (Violoncello)
Label: Hyperion