Der Japaner Ryuichi Sakamoto ist für viele inzwischen eine Art Kultfigur auf filmmusikalischem Gebiet geworden. Das erste Stück des vorliegenden Albums repräsentiert zugleich die erste Arbeit, die Sakamoto für das Kino schrieb: sein Hauptthema zum Kriegsfilm "Merry Christmas, Mr. Lawrence". Ein Streifen, in dem Sakamoto selbst eine der beiden Hauptrollen spielt - Seite an Seite mit David Bowie.
Bildquelle: SilvaScreen
Der CD-Tipp zum Anhören
Überhaupt kam es zu dieser Filmmusik nur deshalb, weil Sakamoto, damals gefeiert als Ikone des Elektro-Pop, diesen Kompositionsauftrag zur Bedingung machte: nur dann werde er auch die ihm zugedachte Hauptrolle des Lagerhauptmanns Yonoi spielen.
Inzwischen erhielt Sakamoto so ziemlich alle wichtigen Filmmusik-Auszeichnungen, darunter auch einen "Oscar" für seinen Soundtrack zu Bernardo Bertoluccis Filmepos "Der letzte Kaiser". Auch diese Musik findet sich selbstverständlich auf der aktuellen CD, die im Rahmen des diesjährigen Filmfestivals im Belgischen Gent entstand. Dort wurde Sakamoto 2016 für sein Lebenswerk geehrt. Und vieles, was ursprünglich als elektronischer Sound per Synthesizer generiert wurde, erhielt nun ein würdevolles symphonisches Gewand, dargeboten von der Brüsseler Philharmonie unter Leitung von Dirk Brossé.
Auch Sakamotos Identität als Jazzmusiker tritt in Musiken wie "Der letzte Kaiser" unüberhörbar zutage - zusammen mit einer fast naiv-unbekümmerten Annäherung an westlich-sinfonisches Vokabular, wie man sie auch bei seinem Landsmann Toru Takemitsu in dessen Filmarbeiten antraf. Unter Dirk Brossés sachkundiger Leitung werden Sakamotos stilistisch recht unterschiedliche Ansätze erstmals überhaupt auf einer CD vereinigt. Darunter auch sein Hauptthema zu Alejandro Iñarritus Oscar-gekröntem Film "The Revenant": eine Musik, die den Raum zwischen den Tönen zelebriert und dabei auch elektronische Effekte mit einbezieht.
Oft ist es gerade die Sparsamkeit der Mittel, die Sakamotos Musik auszeichnet - ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Hollywoods musikalischer Beredtsamkeit. Genau diesen asketisch-klangphilosophischen Aspekt bringt die vorliegende CD zum Vorschein. Sie wurde eingespielt von einem Orchester, das einem filmmusikalischen Projekt offensichtlich ebenso viel Respekt entgegenbringt wie der Interpretation von klassisch-symphonischem Repertoire. Dennoch erschien die CD nicht etwa bei der Deutschen Grammophon oder einem der anderen sogenannten "Majors", sondern beim britischen Label SilvaScreen, das seit langen bekannt ist für qualitativ hochwertige Filmmusik-Aufnahmen.
Soundtracks zu
"Merry Christmas, Mr. Lawrence"
"The Last Emperor"
"Babel"
"Little Buddha"
"The Revenant"
u. a.
Brüsseler Philharmonie
Leitung: Dirk Brossé
Label: SilvaScreen