Bis heute ist der "Karneval der Tiere" Camille Saint-Saëns' beliebtestes Werk. Texte zu den einzelnen Musikstücke haben unter anderem Loriot, Peter Ustinov oder Boris Aljinovic geschrieben. Ganz besonders humorvoll, ein bisschen anzüglich und eben für Erwachsene – so sind die Texte von Roger Willemsen, findet die Schauspielerin Katja Riemann. Auf der neuen Einspielung des Werks übernimmt sie den Part der Sprecherin.
Bildquelle: Deutsche Grammophon
Der CD-Tipp zum Anhören
Mit Spaß an einer gewissen derben Schlüpfrigkeit hält Roger Willemsen in seinen gereimten Tiergeschichten den menschlichen Hörerinnen und Hörern den Spiegel vor. Das gelingt ihm so gut, dass man regelmäßig beim Schmunzeln denkt: Er war nicht nur ein Kenner der deutschen Sprache, sondern auch des deutschen Gemüts. Etwa, wenn er beschreibt, wie sich Insekten für die Versteinerung als Fossil in Pose werfen: "Die Schnecke hat erst rumgemäkelt, sich aber trotzdem hingeräkelt. | Und kaum hat Ehrgeiz sie gepackt, zeigt sie sich splitterfasernackt | und schreit herum: ich bin bereit als Pin-Up für die Ewigkeit! | Mein Haus, das dient mir nur als Fetisch, Hauptsache bleibt, ich wirk’ ästhetisch!"
Die Sinnlichkeit in der klassischen Musik aufspüren, das wollte Roger Willemsen, ohne dass daraus "Kuschelklassik" wird. Davor warnt sein letzter Text im "Karneval der Tiere". Und das haben sich auch die Musiker dieser Aufnahme in die Noten geschrieben. Kein bisschen kitschig oder schwelgerisch musizieren sie. Klar, fast nüchtern lassen die Pianisten-Brüder Artur und Lucas Jussen gemeinsam mit den Solisten des Concertgebouw Orchester die musikalischen Tierbilder entstehen. Da wünscht man sich ab und zu etwas mehr von der Süffisanz der Willemsen'schen Texte.
Anders Katja Riemann. Sie wirft sich mit voller schauspielerischer Energie in Metrum und Reime, genießt die Bilder und Pointen spürbar – ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen. Wenn sie die Vortragsdiktion verlässt, ihre Stimme verstellt oder Dialekt spricht, dann immer gerade noch so dezent, dass es der Derbheit der Texte zwar entspricht, sie aber nicht bloßstellt.
Eins zeigt diese Neuaufnahme ganz bestimmt: Den "Karneval der Tiere" von Camille Saint-Saëns kann man getrost mal wieder aus der Kinderecke rausholen. Sie ist ein Fest der Vielfalt - von Musik und Sprache, von Tier und Mensch.
Textfassung: Roger Willemsen
Katja Riemann (Sprecherin)
Lucas und Arthur Jussen (Klavier)
RCO Chamber Soloists
Label: Deutsche Grammophon
Sendung: "Leporello" am 27. März 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK