Was für eine großartige Musik, und was für ein großartiger Cellist. Die beiden Cellokonzerte von Dmitrij Schostakowitsch und Bohuslav Martinů, die der Schweizer Christian Poltéra auf seiner neuen CD spielt, sind selten zu hören, viel zu selten.
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Der CD-Tipp zum Anhören
Schostakowitschs Zweites Cellokonzert steht klar im Schatten des vitaleren, deutlich extrovertierteren und wirkungsvolleren ersten, und Martinůs Cellokonzerte findet man hierzulande ohnehin auf keinem Konzertprogramm. In beiden Fällen ist das extrem schade. Schon von daher ist das Plädoyer, das Christian Poltéra mit dem Deutschen Symphonie -Orchester Berlin unter Gilbert Varga für die beiden vernachlässigten Werke hält, uneingeschränkt zu begrüßen.
Davon abgesehen ist Christian Poltéra schlicht ein fantastischer Cellist. Kein Wunder, dass ausgerechnet er das berühmte Stradivari-Cello mit dem klangvollen Namen "Mara" aus den Händen seines großen Lehrers Heinrich Schiff übernehmen durfte, Poltéra ist ein würdiger Nachfolger. "Mara" ist ein Mythos. 1963 wurde das Instrument nach einem Schiffsunglück auf dem Rio de la Plata aus dem Fluss gefischt. Das Wasser hatte es in seine Bestandteile zerlegt - eine Celloleiche, eingesargt in den durchweichten Instrumentenkoffer. Dass es minuziös restauriert werden konnte und heute angeblich schöner klingt als vor dem Unglück, grenzt an ein Wunder.
Mit Hingabe lotet Poltéra die klanglichen Möglichkeiten aus, die ihm dieses wunderbare Instrument bietet. Im Martinů-Konzert begeistern die weitgespannten, an Martinůs Landsmann Antonin Dvořák erinnernden Melodiebögen sowie der mitreißende rhythmische Drive. Gilbert Varga und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin liefern engagiert das eigenwillige, aber überaus schöne harmonische Fundament, das Martinůs Musik so charakteristisch und unverwechselbar macht. Beim Zweiten Cellokonzert von Dmitri Schostakowitsch sind andere Qualitäten gefragt.
Ein introvertiertes, brütendes Werk des Sechzigjährigen, durchzogen von Melancholie, auch von Resignation. Rätselhaft die Passagen, in denen das Schlagwerk - Holzblock, Tom-Tom und kleine Trommel - leer vor sich hin klöppelt, gleichsam zum Tanz von Marionetten oder Skeletten. Nur ganz selten blitzt der für diesen Komponisten sonst immer wieder typische Sarkasmus auf. Und fast verzweifelt spielt der Solist gegen die orchestrale Trauer an, der er nicht entrinnen kann. Christian Poltéra spielt das mit atemberaubender Intensität und wunderbarer Tongebung. Noch den schwärzesten Momenten dieses Soloparts vermag er zahllose Farbschattierungen abzuringen. Ein großer Musiker - mit großer Musik.
Dmitri Schostakowitsch:
Violoncellokonzert Nr. 2, op.126
Bohuslav Martinů:
Violoncellokonzert Nr. 2 H 304
Christian Poltéra (Violoncello)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Gilbert Varga
Label: BIS
Sendung: "Piazza" am 15. Juli 2017, 08.30 Uhr auf BR-KLASSIK