Irgendwann reichte es John Eliot Gardiner mit den kommerziellen Zwängen der Musikindustrie. 2004 hat der Originalklang-Pionier sein eigenes CD-Label "Soli Deo Gloria" gegründet. "Allein zur Ehre Gottes" – so hat schon Bach seine Werke unterzeichnet. Auf seinem Label veröffentlicht Gardiner ausschließlich Aufnahmen seiner eigenen Ensembles. Für die größer besetzte Symphonik von Beethoven und den Romantikern bevorzugt Gardiner sein Orchestre Révolutionnaire et Romantique. Neu auf dem Markt ist jetzt ein Konzertmitschnitt von 2016 mit Jugendwerken von Franz Schubert und Johannes Brahms.
Bildquelle: SLG – Soli Deo Gloria
Der CD-Tipp zum Anhören
"O Mozart, unsterblicher Mozart, wie viele o wie unendlich viele wohltätige Abdrücke eines lichten bessern Lebens hast du in unsere Seelen geprägt." Was er in dieser Tagebuchnotiz 1816 verrät, seine Mozart-Schwärmerei nämlich, hat der 19-jährige Schubert dann gleich in seiner Fünften Symphonie umgesetzt. Aber – um ein berühmtes Zitat abzuwandeln – es ist doch eher "Mozarts Geist aus Schuberts Händen". Beide Pole verbindet John Eliot Gardiner in seiner vitalen Interpretation: klassische Leichtigkeit und romantische Abgründigkeit. Im Menuett dieser B-Dur-Symphonie beispielsweise ist der Bezug zu Mozarts großer g-Moll-Symphonie ganz offenkundig – nicht nur, weil es in derselben Tonart steht. Schroff und kantig geht Gardiner zur Sache, aber auch impulsiv und tänzerisch.
Dem jungen Brahms wiederum saß – mehr noch als Mozart – der "Riese Beethoven" im Nacken. Mit seinen beiden frühen Serenaden wollte sich Brahms als Symphoniker ausprobieren. Man spürt, wie viel Spaß Gardiner an den verspielten Rhythmen der Zweiten Serenade hat.
In diesem Werk verzichtet Brahms auf die Geigen – das gibt dem Stück seinen besonderen dunklen Klang, wie er für Brahms so typisch ist. Im zentralen Adagio kann Gardiner die warmen Klangfarben der tiefen Streicher und der historischen Blasinstrumente im Orchestre Révolutionnaire et Romantique wunderbar zur Geltung bringen. Lässig schlendernd geht er dann das Menuett an – als sei's Gershwin. Da schlägt der unterhaltsame Serenaden-Charakter witzig durch.
Schubert und Brahms – beide arbeiten sich an den klassischen Vorbildern ab. Aber, und das macht Gardiner deutlich, sie finden schon ihren eigenen Ton: Schuberts Wehmut und Brahms' Melancholie schimmern immer durch. Dass sie auch übermütig sein konnten, zeigt Gardiner mit Eleganz und Verve: So ausgelassen hat die historische Aufführungspraxis schon lange nicht mehr geklungen!
Franz Schubert:
Symphonie Nr. 5 B-Dur D 485
Johannes Brahms:
Serenade Nr. 2 A-Dur op. 16
Orchestre Révolutionnaire et Romantique
Leitung: John Eliot Gardiner
Label: SLG – Soli Deo Gloria
Sendung: "Leporello" am 10. Oktober 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK