Andreas Staier hat zahllose vielfach hochdekorierte Aufnahmen am Cembalo und Hammerklavier eingespielt, als Solist oder mit wichtigen Orchestern wie der Akademie für Alte Musik oder dem Freiburger Barockorchester. Auch als Liedbegleiter ist Staier gefragt. Und seit einigen Jahren ist er auch verstärkt als Kammermusiker unterwegs, mit dem Geiger Daniel Sepec, dem Cellisten Jean-Guihen Queyras oder jetzt dem belgischen Cellisten Roel Dieltiens. Staier, Sepec und Dieltiens haben Zentralwerke der Kammermusik überhaupt eingespielt, die späten Klaviertrios des noch jungen Franz Schubert.
Bildquelle: harmonia mundi
"Wie eine zürnende Himmelserscheinung" sei Franz Schuberts Klaviertrio in Es-Dur "über das damalige Musiktreiben" hinweggegangen, schrieb Robert Schumann 1836, acht Jahre nach Schuberts Tod in seiner "Zeitschrift für Musik". Der erste Satz sei "tiefer Zorn und wiederum überschwengliche Sehnsucht", das "Andante con moto" "ein Seufzer, der sich bis zur schreienden Herzensangst steigert". Das war nicht übertrieben. Schuberts Es-Dur-Trio ist ein Ausnahmewerk, was für das wohl nur wenige Monate früher entstandene Klaviertrio in B-Dur genauso gilt, auch wenn es verbindlicher und freundlicher daherkommt. Wie die in Schuberts letzten Lebensjahren entstandenen Streichquartette drohen die Trios die Grenzen des Kammermusikalischen zu sprengen, weisen ins sinfonisch Großdimensionierte. Bis zum Zerreißen dehnte Schubert seine Themen, ließ seine Melodik scheinbar endlos in sich kreisen und durch entlegenste Tonarten streifen.
Diese ungeheure Musik gedanklich und emotional zusammen zu halten, ist für jeden Interpreten eine echte Herausforderung. Andreas Staier am Hammerflügel und Daniel Sepec auf einer darmbespannten Storioni-Geige aus Cremona von 1780 haben glänzende Aufnahmen von Beethoven- und Schumann-Violinsonaten vorgelegt, gemeinsam mit Jean-Guihen Queyras auch Beethovens "Geistertrio". Nun haben sich die Beiden Schuberts großen Klaviertrios und seinem späten Notturno gewidmet und dafür den belgischen Cellisten Roel Dieltiens mit ins Boot geholt. Das Ergebnis ist schlicht überragend. Bei eher fließenden Tempi führt der helle, aber äußerst farbige Klang des Hammerflügels, bei den Streichern der vorsichtige Umgang mit dem Vibrato zu einer enormen Transparenz. Diese Aufnahme scheut nie den Blick in die jähen Abgründe, die sich in den letzten Werken Franz Schuberts immer wieder auftun. Aber sie duldet keine Gefühligkeit oder Sentimentalität. Und doch musizieren Staier, Sepec und Dieltiens mit ihrer gedanklichen Stringenz und emotionalen Zurückhaltung tief berührend, ganz besonders in den langsamen Sätzen und im Notturno. Ein Glücksfall.
Paradoxerweise lassen die historischen Instrumente bzw. deren Nachbauten Schuberts fast unheimliche Modernität besonders deutlich zu Tage treten. Über das Trio in B-Dur schrieb der ebenso begeisterte wie hellsichtige Robert Schumann: "Sei uns das hinterlassene Werk ein theures Vermächtnis! Die Zeit, so zahllos und Schönes sie gebiert, einen Schubert bringt sie sobald nicht wieder." Damit sollte er Recht behalten, diese Einspielung ruft das mit aller Macht in Erinnerung.
Klaviertrios B-Dur D 898 und Es-Dur D 929
Notturno D 897
Andreas Staier, Hammerflügel
Daniel Sepec, Violine
Roel Dieltiens, Violoncello
Label: harmonia mundi