Er war eine Legende zu Lebzeiten. Swjatoslaw Richter nannte Vladimir Sofronitzky einen Gott, Emil Gilels soll, als er 1961 vom Tod seines Kollegen hörte, gesagt haben, der größte Pianist der Welt sei gestorben.
Bildquelle: Profil – Edition Günter Hänssler
CD Tipp 11.06.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Sofronitzky war ein Magier am Klavier. Das Geheimnis seiner Interpretationen liegt nicht nur in der perfekten Mischung aus gelöster Freiheit und enormer Poesie, dem unglaublich farbigen Klang, seinem rubatoreichen, aber niemals willkürlichen Umgang mit den Tempi und dem streckenweise geradezu improvisiert wirkenden Gestus seines Spiels. In seinen besten Momenten muss Sofronitzky die Grenzen des Klavierspiels transzendiert haben, in emotionale und spirituelle Bereiche vorgedrungen sein, die anderen großen Pianisten verschlossen bleiben. Sogar die klangtechnisch oft mäßigen Aufnahmen machen das erfahrbar.
Sofronitzkys Konzerte in der Sowjetunion waren Ereignisse. Doch auch wenn er zu den bedeutendsten Pianisten des Jahrhunderts gehörte, gleichrangig neben Richter und Gilels steht, kennen ihn bis heute die wenigsten. Anders als diese beiden, die schließlich doch außerhalb der Sowjetunion konzertieren durften, konnte Sofronitzky nach der Oktoberrevolution ganze zweimal im Westen auftreten. Vor allem deshalb blieb er ein Geheimtipp für Spezialisten.
Geboren wurde Sofronitzky 1901 in St. Petersburg, er starb vergleichsweise früh, 1961 nur sechzigjährig in Moskau. Sein Repertoire muss immens gewesen sein, doch Chopin und Skrjabin standen immer im Zentrum. Auch wenn er nach Skrjabins Tod dessen Tochter heiratete, die besondere Beziehung zu seiner Musik war sicher nicht nur biographisch motiviert. Diese in allen Farben schillernde Musik war Sofronitzkys Welt, und er wurde ihr Prophet. Dass ihn mancher noch heute für seinen bedeutendsten Interpreten überhaupt hält, hat sein Gründe. Wie nur wenigen gelang es Sofronitzky, Skrjabin als Klangvisionär und Bewohner magischer Traumwelten zu offenbaren, gleichzeitig die gewaltigen rhythmischen Energien dieser großartigen Musik frei zu legen. Nahtlos verschmolz er strukturelles, absolut klares und logisches Kalkül mit dem großen rhapsodischen Zugriff. Die Wiederveröffentlichung der Skrjabin-Aufnahmen aus seinen letzten Lebensjahren – mögen sie klanglich auch unbefriedigend sein – eröffnet Skrjabin-Welten.
Vladimir Sofronitzky (Klavier)
Label: Profil – Edition Günter Hänssler