Sokolov-Fans sind entzückt: Nachdem sich der russische Pianist jahrelang mit Aufnahmen rar gemacht hat und nur im Konzert zu erleben war, erscheint jetzt schon die zweite CD in diesem Jahr. Es ist sogar eine der wenigen Studioproduktionen, die Grigori Sokolov eingespielt hat: Chopins erstes Klavierkonzert mit den Münchner Philharmonikern, aufgenommen1977 im Münchner Bürgerbräu.
Bildquelle: Sony Music
CD-Tipp 23.03.2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Schon dieser erste Einsatz des Klaviers in Chopins e-Moll-Konzert könnte kaum eindrucksvoller hörbar machen, was der Solist an klanglicher Palette aus seinem Instrument hervorholen kann. Grigori Sokolov spielt mit durchgehend vollem Klang, greift kräftig zu - offensichtlich erhaben über alle technischen Herausforderungen. Er packt die Forte-Akkorde als solche an, um ohne Bruchstellen einen wunderbar abgestuften Übergang in zarte, verinnerlichte Sphären zu gestalten.
Zum Aufnahmezeitpunkt im November 1977 war Grigori Sokolov gerade Mal 27 Jahre jung. Mit dem sensationellen 1. Preis beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb hatte er bereits elf Jahre zuvor international auf sich aufmerksam gemacht. Als bis dahin jüngster Preisträger überhaupt begann eine Konzerttätigkeit, die von Beginn an sehr klug und dosiert geplant wurde. So beendete Sokolov parallel sein Studium am Leningrader Konservatorium, um sich vor allem ein breites Repertoire zu erarbeiten.
Bis heute ist Sokolov ein Einzelgänger geblieben, ein eigenwilliger Musiker, der sich diversen Vermarktungsstrategien widersetzt, nie als Kammermusiker oder Solist mit Orchestern auftritt und Studioaufnahmen prinzipiell ablehnt. Bemerkenswerte Live-Konzertmitschnitte sind jedoch in den letzten zwei Jahren auf CD erschienen. Sokolovs Kultstatus und enormer Erfolg sind dadurch gestützt und immer wieder thematisiert worden. Aber wenn man die nun schon vor 38 Jahren entstandene "historische" Aufnahme des Chopin-Konzerts mit Sokolov und den Münchner Philharmonikern unter der Leitung von Witold Rowicki hört, wird man einfach gefesselt.
Sokolov spielt tiefsinnig, natürlich, innig und dynamisch unglaublich fein abgestuft. Niemals werden Rubati künstlich gestaltet, verkitscht oder auf Kosten der Gesamtdramaturgie herausgestellt. Vor allem seine Artikulations- und Phrasierungskunst ist bei diesem Chopin-Konzert einmal mehr eine Sensation, ebenso, dass diese Münchner Studioaufnahme so lange unentdeckt in den Archiven von Eurodisc schlummerte. Für die Erstveröffentlichung auf CD wurden nun die originalen Masterbänder, die damals im Quadrophonie-Verfahren aufgenommen wurden, aufwändig restauriert. Das Unternehmen hat sich allemal gelohnt. Die Musikwelt ist um eine bemerkenswerte Aufnahme des e-Moll-Klavierkonzerts von Chopin bereichert.
Frédéric Chopin:
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll
Grigori Sokolov, Klavier
Münchner Philharmoniker
Leitung: Witold Rowicki
Label: Sony Music