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CD - Grigori Sokolov spielt Klavierwerke von Schubert bis Prokofjew

Wer Grigori Sokolov nicht kennt und ihn zufällig im Konzert etwa im Münchner Herkulessaal erlebt, wird Zeuge eines fast seltsam anmutenden Rituals. Die Bühne betritt, frenetisch beklatscht, ein unscheinbarer, gedrungener Mann im Frack. Fast glaubt man einen Kellner zu erleben, der sich irrtümlich aufs Podium verirrt hat. Eine Hand auf dem Rücken, eilt er zielstrebig zum Flügel - ganz so, als wolle er keine Sekunde verlieren.

Bildquelle: Melodija

CD-Tipp - 16.04.2015

Grigory Sokolov spielt

Hier gilt es der Kunst, keinesfalls der Selbstdarstellung, und sei sie noch so vornehm. Eine steife, zurückhaltende Verbeugung, ein kurzer Moment des Sich-Sammelns, und dann beginnt ein Klavierspiel, das einfach unvergleichlich ist und das Publikum in eine tiefe, unendlich inspirierte musikalische Welt entführt. Kein Zweifel, Grigori Sokolov ist einer der Größten.

So wenig Sokolov ein Star sein möchte, er weiß genau und selbstbewusst um sein Können. Inzwischen spielt er ausschließlich Soloabende, keine Klavierkonzerte mehr. Das liegt an der ihm stets zu kurzen Probenzeit, ebenso jedoch daran, dass er von den wenigsten Dirigenten etwas hält. Ebenso wenig hält er von zusammengeschnittenen Studioproduktionen: "Solche Schnitte sind wie eine Operation: Man sollte sie nur machen, wenn man sich wirklich in Lebensgefahr befindet!" Die wirklich guten Künstler, davon ist Sokolov überzeugt, seien im Konzert besser als im Studio, nur bei den mittelmäßigen sei es umgekehrt. Wer weiß, aus wie vielen Takes manche Aufnahme zusammengewerkelt ist, ist geneigt, ihm Recht zu geben.

Von Sokolov sind auf CD denn auch fast ausnahmslos Konzertmitschnitte zu hören. Wie gut er schon als noch nicht Zwanzigjähriger war, zeigen die jetzt wiederveröffentlichten, klanglich sehr gut aufbereiteten Aufnahmen des Labels Melodija. Großen Teils sind sie in den späten Sechzigerjahren entstanden, kurz nach seinem spektakulären Sieg beim dritten Tschaikowsky-Wettbewerb. Damals ging Sokolov noch ins Studio, aber man darf sicher sein, dass die damalige Schnitttechnik mit der heutigen nicht viel gemein hatte.

Schon der 19-jährige Sokolov spielte Franz Schuberts a-Moll-Sonate D 784 mit unglaublich reifem Tiefgang, beklemmender Intensität und enormem Gestaltungswillen. Das gilt unter anderen Vorzeichen genauso für Schumanns "Carnaval", den Sokolov mit ganzen siebzehn Jahren produzierte. Mit kraftvoller Virtuosität, nie vordergründig donnernd feilte der junge Sokolov am Reigen der so unterschiedlichen Figuren, die Schumann da aufmarschieren lässt. Auch Prokofjews Siebte und Achte Sonate sowie Strawinskys "Petruschka" legte der junge Sokolov in Aufnahmen hin, die den Vergleich mit Richter oder Gilels nicht scheuen müssen. Er gehörte schon früh zu den ganz bedeutenden Pianisten, es hat nur eine Weile gedauert, bis wir das auch in Westeuropa miterleben und begreifen durften.

Grigory Sokolov spielt

Franz Schubert:
Klaviersonate a-Moll, D. 784
Robert Schumann:
"Carnaval", op. 9
Frédéric Chopin:
Mazurka Nr. 13; Etüden Nr. 8 & 23
Alexander Skrjabin:
Etüde op. 8 Nr. 10; Klaviersonate Nr. 9 "Schwarze Messe"
Igor Strawinsky:
Drei Sätze aus "Petruschka"
Sergej Prokofjew:
Klaviersonate Nr. 7 B-Dur, op. 83
Klaviersonate Nr. 8 B-Dur, op. 84

Grigory Sokolov (Klavier)
Label: Melodija

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