Einst hatte Steve Reich seine Musikerlaufbahn als Drummer begonnen. Heute schwärmt er von dem schottischen Schlagzeug-Virtuosen Colin Currie: "Die jungen Musiker von heute spielen meine Musik viel besser als wir damals", erklärte Steve Reich dazu in einem BR-KLASSIK-Interview. "Als ich gehört habe, wie Colin Currie und seine Gruppe mein Stück "Drumming" spielen, dachte ich: Das ist so viel besser, als wir es je hätte spielen können. Die spielen in einem anderen Universum! Ich war echt eifersüchtig."
Bildquelle: Colin Currie Records
Der CD-Tipp zum Anhören
Den Grund für Reichs Begeisterung für Currie kann man nun auch auf CD hören: Neun junge Schlagzeuger spielen "Drumming" – ein frühes Gipfelwerk der Minimal Music. Steve Reich hat es 1971, kurz nach einem Studienaufenthalt bei Trommlern in Ghana, komponiert: eine knappe Stunde voll farbenfroh pulsierender Rhythmen.
Jeder der vier Sätze ist einer Instrumentengruppe gewidmet: Im ersten entfesseln acht Bongos einen Strudel aus Tempo und Kraft, im zweiten lullt uns das meditative Klöppeln der Marimbas nach und nach in Trance. Vollends in andere Sphären, erdenthoben und schwerelos, entführen uns im dritten Satz die Glockenspiele mit ihrem silbrig hellen Bimmeln und Klingeln. Und im Finale schließlich vereinen sich alle Schlaginstrumente mit einer Piccoloflöte und den lässig swingenden Gesangsstimmen der Synergy Vocals zu einem Feuerwerk aus Rhythmus und Licht, aus Energie und Ekstase.
Mit einer Spielfreude, die ansteckt, wirbelt die Colin Currie Group durch Steve Reichs Partitur. Die jungen Briten bringen die Noten zum Tanzen und sogar die Trommeln zum Singen. Dank der Präzision und Transparenz wird aber zugleich auch das grundlegende Kompositionsprinzip von "Drumming" gut hörbar: wenn sich einer der Musiker mit seinem Motiv, seinem "Pattern", aus dem Grundrhythmus herauslöst, kurz beschleunigt, seine Kollegen überholt, entsteht auf einmal ein neues rhythmisches Gefüge.
Aus kleinsten rhythmischen Mosaiksteinen, die auf diese Weise immer wieder durcheinandergeschüttelt werden, entwirft Steve Reich ein facettenreiches, sich ständig veränderndes Panoramabild. Ein fast 50 Jahre alter Geniestreich, der unter den hochvirtuosen Armen und souverän zupackenden Händen der Colin Currie Group so frisch wirkt, als wäre er erst gestern komponiert worden.
Colin Currie Group
Synergy Vocals
Label: Colin Currie Records
Sendung: "Leporello" am 06. April 2018, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK