BR-KLASSIK

Inhalt

CD - Steven Osborne spielt Klavierwerke von Feldman und Crumb

An der Grenze zwischen Syrien und dem Irak, dort wo heute der Islamische Staat sein Unwesen treibt, am Ufer des Euphrat, lag einst der Palast von Mari. Vor 4000 Jahren residierten hier die assyrischen Könige, es gab prachtvolle Malereien auf den Wänden aus Lehm, eine große Bibliothek, und Statuen aus Elfenbein und Lapislazuli kündeten vom Reichtum der Bewohner. Dann kamen die Babylonier und machten die Stadt dem Erdboden gleich. Heute stehen die Schätze im Pariser Louvre, und über die Ruinen von Mari streicht sanft der Wüstenwind.

Bildquelle: Hyperion

CD Tipp 24.06.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Der Komponist Morton Feldman war im Louvre auf ein Foto der Ruinen von Mari gestoßen. Sie inspirierten den Sammler orientalischer Teppiche 1986 zu seinem letzten, etwa halbstündigen Klavierstück. Darin setzt er kurze, fragmentarische Figuren wie verwitterte Bausteine nebeneinander, wiederholt sie mit minimalen Abweichungen und konstruiert daraus ein leise schimmerndes Gebäude, scheinbar ziellos und zeitenthoben.

Gelassenheit und Poesie.

Der Pianist Steven Osborne spielt "Palais de Mari" mit einer faszinierenden Gelassenheit und Poesie. Feldmans Musik klingt hier nicht, wie oft behauptet wird, kalt und emotionslos, sondern vielmehr gesanglich, ja geradezu zärtlich. Osborne ergänzt "Palais de Mari" dabei um einige frühe Klavierminiaturen Feldmans, in denen sich die nachlauschende Ruhe des Spätwerks schon ankündigt, und um Musik eines ganz anderen großen Amerikaners: George Crumb.

Feinsinnig und subtil

Erstaunlich, wie gut Crumb und Feldman zusammenpassen, wie bruchlos und schlüssig Steven Osborne das eine ans andere fügt. Dabei ist Crumb ästhetisch denkbar weit von Feldman entfernt: In seiner kleinen "Suite für die Weihnachtszeit" von 1979 erzählt er die Geschichte von der Geburt Jesu in kleinen Genrebildern nach, durchaus mit Sinn für Dramatik und Humor - und mit vielen bunten Klängen. Da müssen Osbornes Finger nicht nur virtuos über die Tasten huschen, sondern auch über die Saiten im Klavierinneren gleiten oder die Töne anzupfen wie die Harfe eines Barden. Und Osborne tut das so feinsinnig und subtil, dass die Effekte nicht ins Alberne oder bloß Experimentelle abgleiten, sondern so zauberhaft wirken wie ein verschneiter Märchenwald. Eine CD, die rundum glücklich macht – auch mitten im Hochsommer.

Steven Osborne spielt Feldman und Crumb

Morton Feldman:
Palais de Mari
Intermission 5
Extensions 3
Piano Piece 1952
George Crumb:
Processional
A Little Suite for Christmas

Steven Osborne (Klavier)
Label: Hyperion

BR-KLASSIK empfiehlt

    AV-Player