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CD - Tasto Solo Sätze aus dem Buxheimer Orgelbuch

Bildquelle: passacaille

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Gern singt sie von der Liebe, die Musik des frühen 15. Jahrhunderts. Aber kann man sich auch in sie verlieben? Oder ist sie uns nicht doch zu fern, um uns wirklich zu berühren - mit ihrer fremdartigen Harmonik, ihren kapriziösen Ornamenten und Girlanden und ihrer hermetisch-höfischen Bilderwelt? Ein Fall für die Gelehrten und die Nerds?

Mann muss sich verlieben

Man kann nicht nur, man muss sich sogar verlieben in die Musik der Frührenaissance, wenn man das Ensemble Tasto Solo hört. Die sechs Musiker um den Spanier Guillermo Pérez gehören zu einer Generation von Interpreten, die diese Musik nicht mehr bloß nachbuchstabieren, sondern zum Sprechen bringen - und zwar so natürlich und selbstverständlich, als wäre es ihre Muttersprache. Die vielen Kadenzfloskeln und üppigen Kolorierungen werden so zum Teil einer Grammatik, die den Sinn, die große Linie, nicht aus dem Blick verliert, sondern erst richtig hervortreten lässt. Und wenn dann Barbara Zanichelli Chansons von Gilles Binchois oder Guillaume Dufay anstimmt, entdeckt man staunend die anrührende Schönheit dieser Melodien.

Buxheimer Orgelbuch

Nun hat sich das Ensemble Tasto Solo auch noch einem Repertoire verschrieben, das eigentlich als staubtrocken gilt - nämlich dem Buxheimer Orgelbuch, das bisher als Domäne dröger Organisten mit Hang zum Enzyklopädischen ein schattiges Nischendasein fristete. Dabei können die 256 Bearbeitungen von Liedern, Tänzen und liturgischer Musik für Tasteninstrumente damals gar nicht langweilig geklungen haben - werden sie doch dem Umkreis des Nürnberger Organisten Conrad Paumann zugeschrieben, und der war im 15. Jahrhundert ein europaweit gefeierter Star. Mit Paumanns Erben Guillermo Pérez am kleinen, flinken Orgelportativ entwickeln manche dieser Stücke nun solch einen Drive, dass man zum ersten Mal versteht, welche Faszination einst von ihnen ausging.

Gezupft und gehämmert

Tragbare Mini-Orgeln, die man auf dem Schoß spielte, waren sehr verbreitet damals. Ein Organist wie Paumann thronte also keineswegs immer abgehoben allein auf seiner Kirchenempore. Das Ensemble Tasto Solo trägt dem Rechnung, indem es die Sätze aus dem Buxheimer Orgelbuch wie Kammermusik interpretiert: mit Fidel, Harfen und zwei sonderbaren Instrumenten, die man wegen ihrer schwarzen und weißen Tasten "Schachbrett" nannte, "eschiquier". Tasto-solo-Mitglied David Catalunya hat sie in zwei Formen rekonstruiert: einmal werden die Saiten gezupft wie beim späteren Cembalo, einmal werden sie gehämmert, als hätte man ein Hackbrett mit Tasten versehen. Im Ensemble entfalten sie einen derart farbenreichen, traumhaft schwerelosen Klang, dass man unweigerlich davon becirct wird. Nicht zuletzt deshalb muss man sich einfach verlieben in diese wundervolle CD.

CD-Info:

  • Johannes Ciconia, Gilles Binchois, Guillaume Dufay, John Dunstable, John Bedyngham
  • Sätze aus dem Buxheimer Orgelbuch
  • Tasto Solo
  • Label: passacaille

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