So klar und fokussiert und zugleich seelenvoll wie bei Lisa Batiashvili leuchten die ersten Töne im Violinkonzert von Jean Sibelius selten. Äußerst fein abgestuft ist die dynamische Gestaltung, farb- und nuancenreich der Geigenton. Ganz ohne Pathos und ohne übertriebene Melodramatik spielt Batiashvili die emotional unsteten Passagen dieses Konzerts.
Bildquelle: Deutsche Grammophon
CD-Tipp 03.11.2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
So klar und fokussiert und zugleich seelenvoll wie bei Lisa Batiashvili leuchten die ersten Töne im Violinkonzert von Jean Sibelius selten. Äußerst fein abgestuft ist die dynamische Gestaltung, farb- und nuancenreich der Geigenton. Ganz ohne Pathos und ohne übertriebene Melodramatik spielt Batiashvili die emotional unsteten Passagen dieses Konzerts.
Trotzdem ist ihre Interpretation alles andere als kühl oder nüchtern. In den lyrischen Passagen zeichnet sie die Linien mit warmem Timbre und innigem Ausdruck, aber nie unkontrolliert oder aufgesetzt sentimental. In den temperamentvollen Abschnitten kommt ihre feurige Seite, ihre virtuose Spielfreude voll zum Tragen. Lisa Batiashvili suche ihren Ansatz direkt in den Noten, heißt es im Booklet. Möglichst pur will sie das Werk offenlegen. Diesem Anliegen kann man hörend folgen. Auch die Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim.
Können, Intellekt, Strukturwillen und Emotion - das alles kommt bei Lisa Batiashvilis Deutung des Sibelius-Konzerts überzeugend zusammen. Und dieser Interpretationsansatz charakterisiert auch ihre Sicht auf das Violinkonzert von Peter Tschaikowsky. Erst Anfang dieses Jahres hat die Geigerin Patricia Kopatchinskaja unter der Leitung von Theodor Currentzis eine Neueinspielung vorgelegt, die polarisiert. Denn Kopatchinskaja stellt sich mit ihrer ruppigen und sehr individuell zugespitzten Sichtweise gegen gelernte Hör- und Spieltraditionen, bürstet dieses populäre Konzert des späten 19. Jahrhunderts also tüchtig gegen den Strich. Darauf verzichten Lisa Batiashvili, Daniel Barenboim und die Berliner Staatskapelle. Sie präsentieren mit ihrer Aufnahme eine Interpretation, die nichts Neues deuten oder um jeden Preis neugierig machen will. Zweifellos: Dieses Violinkonzert ist und bleibt ein Evergreen. Solisten und Orchester spielen es weltweit wieder und immer wieder. Und das Publikum hört zu. Zu den zahlreich vorliegenden Aufnahmen kommt mit dieser CD eine bedeutende dazu. Lisa Batiashvili stellt sich als Solistin ganz in den Dienst der Musik. Das tut sie uneitel und hochmusikalisch. All die technischen Anforderungen bewältigt sie souverän. Ihr Fokus liegt auf einer zeitlosen Sicht auf das Werk. Daniel Barenboim und die Staatskapelle stehen ihr dabei zur Seite. Sie sind Begleiter im besten Sinne des Wortes, Ton und Tempo gibt Lisa Batiashvili an. Dieses Verständnis mag ein bisschen altmodisch sein, dient aber der Sache. So präsentiert dieses Album zwei bekannte Violinkonzerte, zeitlos und authentisch interpretiert von einer ganz großen Geigerin unserer Tage.
Peter Tschaikowsky:
Violinkonzert D-Dur, op. 35
Jean Sibelius:
Violinkonzert d-Moll, op. 47
Lisa Batiashvili (Violine)
Staatskapelle Berlin
Leitung: Daniel Barenboim
Label: Deutsche Grammophon