Als Ivan Repusic das Amt des Chefdirigenten beim Münchner Rundfunkorchester antrat, im Herbst 2017, wählte er für sein erstes Sonntagskonzert im Prinzregententheater eine Verdi-Oper. Keinen der populären Publikumslieblinge wie "Nabucco" oder "Traviata", sondern "Luisa Miller" - nach Schillers Trauerspiel "Kabale und Liebe"! Das war zugleich der Start eines mehrteiligen Projekts, das sich über mehrere Jahre erstrecken soll – jeweils mit der konzertanten Aufführung eines Bühnenwerks, das den "Galeerenjahren" Verdis zuzuordnen ist.
Bildquelle: BR-KLASSIK
Der CD-Tipp zum Anhören
Auch in seiner vierzehnten Oper hält Verdi eine Liebesgeschichte bereit. Aber natürlich endet sie wieder tödlich: Eine Intrige, die Schiller im Titel seines Dramas noch "Kabale" nannte, wirkt sich für die arme Luisa Miller und ihren Geliebten Rodolfo zerstörerisch aus. Den Weg zum erweiterten Suizid durch Gift ebnet eine Nebenfigur mit dem vielsagenden Namen "Wurm" - und mit ihm eine Extradosis eifersuchtsgeplagter Boshaftigkeit. Der Trostpreis für unseren Gerechtigkeitssinn: Am Schluss stirbt wenigstens auch der Intrigant.
Obwohl der 36-jährige Komponist gerade mal sechs Wochen Zeit hatte für diese vom neapolitanischen Teatro San Carlo in Auftrag gegebene Oper, fielen ihm jede Menge zündende Melodien ein: die bis heute allseits geschätzte Tenor-Arie "Quando le sere al placido" zum Beispiel. Der Sizilianer Ivan Magrì drosselt Rodolfos Emphase nach Art eines empfindsamen Lyrikers. Als alter Miller agiert der rumänische Bariton George Petean auf der gleichen Wellenlänge: mit kultivierter "mezza voce" transportiert er viel Zärtlichkeit der Tochter gegenüber. Die Lettin Marina Rebeka, als "artist in residence" beim Rundfunkorchester derzeit dauerpräsent, verleiht Luisa weniger die Züge eines unerfahrenen Mädchens als die einer leidgeprüften Frau.
Man hört, wie sehr dem Münchner Rundfunkorchester italienisches Repertoire am Herzen liegt: Seit den Tagen von Marcello Viotti wirkt sich das glücklicherweise nicht nur auf Arien-Cocktails aus, sondern auch auf konzertante Aufführungen kompletter Opern. Ivan Repusic zehrt davon und lässt zudem eine eigene Interpreten-Handschrift erkennen: Genauigkeit verbindet sich bei ihm mit musikantischer Unkompliziertheit. Und wo es dramatisch werden muss, scheut der Kroate vor konzentrierter Zuspitzung nicht zurück. Der Effekt wirkt nirgends aufgesetzt, sondern stets gut geerdet – aus den seelischen Konflikten des Bühnenpersonals heraus entwickelt. Auf den nächsten Baustein des mehrteiligen Verdi-Projekts darf man sich heute schon freuen.
Marina Rebeka, Sopran - Luisa
Ivan Magrì, Tenor - Rodolfo
George Petean, Bariton - Miller
Judit Kutasi, Alt - Federica
Marko Mimica, Bass - Graf von Walter
Ante Jerkunica, Bass - Wurm
Corinna Scheurle, Mezzosopran - Laura
Bernhard Schneider, Tenor - Ein Bauer
Chor des Bayerischen Rundfunks
Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Ivan Repusic
Label: BR-KLASSIK
Sendung: "Leporello" am 4. April 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK