In der Reihe "Wiener Staatsoper live" gibt es im Katalog des Labels Orfeo Dokumente von großem interpretatorischem Wert: etwa 40 komplette Opernaufnahmen von Mozart bis Britten. Kein Komponist ist so stark vertreten wie Verdi: "Un ballo in maschera" bildet innerhalb der Edition den zwölften Mitschnitt einer Verdi-Aufführung aus dem Haus am Ring, bezogen auf den Zeitraum 1960 bis 2004. Als Musikdirektor stand ein paar Jahre Claudio Abbado im Orchestergraben – und mit ihm eine unbestechliche Autorität in Sachen Verdi.
Bildquelle: Orfeo
CD-Tipp 04.04.2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Es müssen viele Räder ineinanderspielen, damit im Leben und im Theater das geschieht, was wir einen Glücksmoment nennen. Bei Verdi war über Jahrzehnte der Bariton Piero Cappuccilli ein Garant dafür. Im "Maskenball" lotste er seine Stimme auch an jenem 26.Oktober 1986 mit einer Souveränität sondergleichen durch die Partie des Renato. Mit der Art und Weise, wie er sie ebenmäßig und atemtechnisch perfekt durch die Register gleiten und in exorbitante Höhenflüge abheben ließ, löste er im Zuschauerraum nach beiden Arien einen ekstatischen Taumel der Begeisterung aus. Dabei war der Tenor auf der Bühne eigentlich noch berühmter als der Bariton.
Luciano Pavarotti bot mit 51 Jahren noch die nötige Flexibilität auf, die man von Interpreten des Gustavo bzw. Riccardo erwarten darf: Leggiero, mit Leichtigkeit, muss hier vieles umgesetzt werden. Da kamen Pavarotti seine Erfahrungen mit der Belcanto-Ära eines Donizetti, Bellini und Rossini zugute. Auch in puncto Treffsicherheit im Notendickicht manövrierte er seinen stattlichen Instrumentenkorpus ungefährdet durch den Abend – ganz anders als die Sopranistin Gabriele Lechner. Um ihre Amelia musste man immer wieder bangen. Auch ihre Vibrato-Amplitude strapazierte das Ohr, so dass man einfach nur bedauerte, dass die ursprünglich geplante Margaret Price damals eine kleine Krise zu bewältigen hatte und darum vorzeitig aus der Produktion ausgestiegen war.
Bei der Wahrsagerin Ulrica fiel die Wahl vor 30 Jahren an der Wiener Ringstraße auf die Ukrainerin Ludmila Schemtschuk, beim Pagen Oscar auf die Ungarin Magda Nádor – nicht sehr prominente, aber umso motiviertere Sängerinnen. Ungetrübtes Vergnügen bereitete es, dem Orchesterspiel zu lauschen. Claudio Abbado war mehr als nur ein gewissenhafter Partiturenbefrager, er hatte brodelndes Theaterblut in den Adern! Durch seinen mitreißenden Impetus, verbunden mit fabelhafter Präzision, schien es tatsächlich, als könne man der Musik auf den Grund sehen…
Luciano Pavarotti, Tenor – Gustavo
Piero Cappuccilli, Bariton – Renato
Gabriele Lechner, Sopran – Amelia
Ludmila Schemtschuk, Mezzosopran – Ulrica
Magda Nádor, Sopran – Oscar
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Leitung: Claudio Abbado
Label: Orfeo