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CD - Alexander Zemlinsky Die Streichquartette

Dem gestrengen Johannes Brahms nötigte sein frühes Klarinettentrio Respekt ab. Alma Schindler, die spätere Ehefrau Gustav Mahlers, war fasziniert von seiner Intelligenz wie von seiner Musik, was sie nicht davon abhielt, das Äußere Alexander Zemlinskys eher boshaft zu beschreiben: "Eine Carricatur – kinnlos, klein, mit heraus quellenden Augen und einem zu verrückten Dirigieren."

Bildquelle: Chandos

CD-Tipp 23.02 2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Tatsächlich belegen Fotos, dass Zemlinsky wenig attraktiv war. Doch seine Ausstrahlung muss enorm gewesen sein. Der drei Jahre jüngere Arnold Schönberg wurde sein Schüler und Freund. Und auch wenn die Beziehung nicht unbelastet blieb: Zemlinsky war für Schönberg zeitlebens "der Mann, dessen Einstellung ich mir vorzustellen versuche, wenn ich einen Rat brauche". 1901 heiratete Schönberg Zemlinskys Schwester Mathilde, eine folgenschwere Verbindung. Eine Affäre der Ehefrau endete mit dem Selbstmord des Geliebten und stürzte Schönberg in eine existentielle Krise, obwohl Mathilde zu ihm zurückkehrte. Auch Zemlinsky litt massiv darunter; sein zweites, Arnold Schönberg gewidmetes Streichquartett von 1913 ist auch eine Aufarbeitung der unglücklichen Geschichte. Die nötige Expressivität und emotionale Wildheit besitzt es allemal.

An der Schwelle zur Atonalität

Im Zweiten Streichquartett ist eine tonale Deutung kaum mehr möglich. Doch so richtig mochte Zemlinsky die Schwelle zur Atonalität nicht überschreiten, Schönbergs Komponieren mit zwölf Tönen blieb ihm suspekt. Die vier Streichquartette weisen in vieler Hinsicht einen repräsentativen Weg durch Zemlinskys Schaffen, angefangen vom ersten, noch in A-Dur verankerten von 1896 bis hin zum letzten, das 1935 im Gedenken an den Tod Alban Bergs entstand. Bereits das A-Dur-Quartett ist ein Meisterwerk, zugleich das einzige, das einigermaßen leicht zu hören ist.

Hochexpressive, hochkarätige Einspielung

Eine intensive Beschäftigung verdienen freilich alle vier. Und die hat Brodsky Quartett hörbar investiert. Dem exzellenten englischen Ensemble ist es außerdem zu danken, das neben diesen vier Werken nun erstmals überhaupt ein ganz frühes Streichquartett in e-moll zu erleben ist. Auch wenn das schöne Jugendwerk des 22-jährigen Zemlinsky seinerzeit vor den Ohren des Wiener Tonkünstlervereins keine Gnade fand und deshalb erst 1997, 55 Jahre nach dem Tod des Komponisten veröffentlicht wurde, die Brodskys widmen sich ihm mit derselben Hingabe und Sorgfalt wie den späteren Quartetten. Die Cellistin Jacqueline Thomas und ihre drei Mitstreiter legen sie in einer hochexpressiven, technisch hochkarätigen Einspielung vor. Es ist ein überzeugendes Plädoyer für eine Musik, in der beeindruckend und mit absoluter Perfektion unbedingter Ausdruckswille und rückhaltlose Emotionalität mit formaler Vollendung verschmelzen. Im Konzertsaal ist das leider viel zu selten zu erleben.

Alexander Zemlinsky: Die Streichquartette

Streichquartett Nr. 1 A-Dur, op. 4
Streichquartett Nr. 2, op. 15
Streichquartett Nr. 3, op. 19
Streichquartett Nr. 4 ("Suite"), op. 25
Streichquartett e-Moll
Brodsky Quartet
Label: Chandos

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