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Album der Woche – César Franck: "Hulda" Eine Oper des Organisten

Der 200.Geburtstag des französischen Komponisten César Franck hatte letztes Jahr mehrere Aufnahme-Aktivitäten zur Folge. So ist es im belgischen Namur zu der jetzt erschienenen Neueinspielung der Opernrarität "Hulda" gekommen. Der Ungar Gergely Madaras leitet sein Orchestre Philharmonique Royal de Liège, dem er als Chefdirigent verbunden ist. Und wieder einmal spielt die Stiftung Palazzetto Bru Zane für das Projekt die Rolle einer Geburtshelferin.

Bildquelle: Bru Zane

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Eine Norwegerin namens Hulda verliert ihre ganze Familie bei einem Kampf ihrer Sippe gegen den norwegischen Clan der Aslaks. Mit deren ältestem Sohn wird sie zwangsverheiratet. Hulda bezirzt den Ritter Eiolf, der ihren Gatten im Zweikampf tötet. Sobald Eiolf sich von Hulda abwendet, lässt sie ihn umbringen. Zur Tat schreiten wieder die Aslak-Brüder, später werden sie von Eiolfs Männern erschlagen. Und Hulda stürzt sich von einem Felsen ins Meer.

Für Jahrzehnte von der Bildfläche verschwunden

Das Libretto von Charles Grandmougin basiert auf einem frühen Drama des späteren norwegischen Nobelpreisträgers Björnstjerne Björnson. Über sechs Jahre arbeitet César Franck an der Vertonung. Vier Jahre nach seinem Tod kommt es 1894 zur "Hulda"-Uraufführung in Monte Carlo. Nach drei Vorstellungen verschwindet das Werk für Jahrzehnte von der Bildfläche. Hängt der Misserfolg damit zusammen, dass die Gattung Oper nicht zum Image des Organisten César Franck passt? Für uns heute ist das ja wohl kein Problem mehr, oder? 

Kurz und bündig

Dieses Album lohnt sich für …
… jede und jeden, die/der den konkreten Folgen der Wirkung Richard Wagners im französischsprachigen Raum nachspüren möchte.

Dieses Album hat gefehlt, weil …
… es die weitgehend unbekannte musiktheatralische Seite des Komponisten und Organisten César Franck ins rechte Licht setzt.

Dieses Album lädt dazu ein, …
… gedanklich und mit allen Sinnen mal wieder (oder vielleicht auch erstmals) nach Norwegen zu "fliegen" – und fast tausend Jahre zurück.

Individueller Gebrauch der Klangfarben

So etwas gibt es. Manchmal ist in einer Oper die Musik besser als der Text! Bei "Hulda" zum Beispiel. Wer sich unter den französischen Spätromantikern auskennt, muss an Edouard Lalo denken oder Ernest Chausson – Geistesverwandte Francks. Manche Merkmale der Musik erinnern an Wagners "Götterdämmerung", andere an "Tristan und Isolde". Jedenfalls macht Franck auf individuelle Art Gebrauch von seinem Klangfarbkasten.

Ein Ohrenschmaus

Den beträchtlichen Herausforderungen ihrer Rollen stellen sich die in Namur versammelten Sängerinnen und Sänger erfolgreich: vor allem der litauische Tenor Edgaras Montvidas und die amerikanische Sopranistin Jennifer Holloway. Mehr noch als er hat sie viel Gelegenheit zur Darstellung menschlicher Seelennöte. Der ungarische Dirigent Gergely Madaras nähert sich mit dem nötigen Fingerspitzengefühl der schwelgerischen Musik. Besonders plastisch arbeitet er die Leitmotivik Francks heraus: Sie scheint hier eine vervielfachte, ins Immense sich auswachsende Erzählerstimme zu haben. Und der Kammerchor von Namur agiert nicht weniger enthusiastisch als das Königlich-Philharmonische Orchester von Liège. Es ist ein Ohrenschmaus.

Infos zur CD

César Franck:
"Hulda"

Jennifer Holloway, Sopran – Hulda
Véronique Gens, Mezzosopran – Gudrun
Judith van Wanroij, Sopran – Swanhilde
Edgaras Montvidas, Tenor – Eiolf
Matthieu Lécroart, Bariton – Gudleik
Christian Helmer, Bariton – Aslak

Choeur de Chambre de Namur
Orchestre Philharmonique Royal de Liège
Leitung: Gergely Madaras

Label: Palazzetto Bru Zane

Sendung: "Piazza" am 05. August 2023 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 06.August, 11:59 Uhr

Klaus Thiel

César Franck, "Hulda"

Es gab aber schon 2021 eine interessante Einspielung unter Fabrice Bollon aus Freiburg !

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