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Album der Woche – Lucas Debargue spielt Fauré Das gesamte Klavierwerk

Manche Komponisten sind Exportschlager, andere werden nur im eigenen Land populär. Gabriel Fauré ist so ein Fall. In Frankreich als Genie verehrt, in Deutschland wenig bekannt. Nun hat der französische Pianist Lucas Debargue sämtliche Klavierwerke Faurés eingespielt.

Bildquelle: Sony Classical

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Klaviermusik von Gabriel Fauré

Viele Melodien von Gabriel Fauré sind populär geworden, ohne dass sie ihren Erfinder populär gemacht hätten. Auch wenn man diese typischen Fauré-Melodien zum allerersten Mal hört, klingen sie auf rätselhafte und bezaubernde Weise vertraut. So, als hätte man sie schon immer gekannt. Das macht ganz wesentlich ihren Flair und ihre Qualität aus. Etwa die Pavane, die Berceuse oder die Sicilienne.

FAURÉ: "SEHR FRANZÖSISCH"

Musik, die sofort ins Ohr geht, nostalgisch, verhalten, diskret und sinnlich. Irgendwie "sehr französisch", zumindest gemäß dem Klischee, das man bei uns von angeblich typisch französischer Musik hat. Trotzdem: ein wirklich viel gespielter Komponist wurde Gabriel Fauré nie – anders als sein berühmtester Schüler Maurice Ravel. Als Fauré vor bald 100 Jahren, am 4. November 1924, in Paris verstarb, war seine Musik schon altmodisch geworden. Am meisten aufgeführt wird neben dem Requiem die Kammermusik von Fauré. Deutlich weniger bekannt ist seine solistische Klaviermusik. Der fantastische Pianist Lucas Debargue hat sie nun in einer Box mit vier CDs eingespielt. Und das erlaubt es, diesen notorisch unterschätzten Komponisten in seiner faszinierenden Entwicklung zu verstehen.

WIE EINE SANFT SCHAUKELNDE BOOTSFAHRT

Schon die Namen der Stücke sagen viel über Faurés Grundhaltung: Mit besonderer Vorliebe schrieb er Nocturnes, also Nachtstücke, Impromptus, also aus dem Augenblick entworfene Skizzen, und Barcarolles, also Gondellieder. Und so fühlt man sich auch beim Hören dieser Musik: Als würde man eingewiegt von einer sanft schaukelnden Bootsfahrt, vorübergleitend an einer von mildem Dunst verklärten Traumlandschaft.

HARMONISCH KÜHNES SPÄTWERK

Mit den wilden Experimenten der Avantgarde hatte Fauré, ein feinsinniger, bescheidener Herr aus der französischen Provinz, wenig am Hut. Dabei ist Faurés Spätwerk durchaus beeinflusst von der Moderne, wenn auch auf eine sehr eigenwillige Weise. Faurés Musik war und blieb lyrisch und schwärmerisch. Im Spätwerk wird sie jedoch harmonisch immer kühner, man verliert sozusagen ein wenig den Boden unter den Füßen. Zum schmeichelnden Tonfall seiner früheren Werke, die in den Salons des Fin de Siècle großen Erfolg hatten, gesellt sich eine unersättliche Lust am Umherschweifen in harmonischen Irrgärten. Und doch bleibt diese ganz individuelle Stimme immer verführerisch.

LUCAS DEBARGUES: EINFÜHLSAM UND KLAR

Zum Glück ist Lucas Debargue, und das macht die große Qualität seiner Einspielung aus, kein Leisetreter. Er beherrscht nicht nur den pianistischen Weichzeichner, sondern auch die scharfen, deutlichen Konturen. Das ist die andere Seite von Faurés Musik: Sie kann durchaus auch mit pianistischer Bravour punkten, neben nostalgischen Stimmungen gibt es auch tänzerische Energie und klar gezeichnete Eleganz. Lucas Debargue ist der ideale Gondoliere für Faurés Barcarollen: Virtuos und einfühlsam, mit Gespür für Zwischentöne und doch klar artikuliert. Eine inspirierende Entdeckungsreise.

Infos zur CD

Gabriel Fauré:
Das gesamte Klavierwerk
(4 CDs)

Lucas Debargue (Klavier)

Label: Sony Classical

Sendung: "Piazza" am 23. März 2024 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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