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Album der Woche – Nicola Porporas "Polifemo" Überfällige Rehabilitierung

Für den italienischen Barockkomponisten Nicóla Pórpora setzen sich der griechische Dirigent George Petrou und seine Musikerinnen und Musiker des Ensembles Armonia Atenea nicht zum ersten Mal ein: Der Ersteinspielung der Oper "Il Carlo Calvo" haben sie nun die Ersteinspielung des "Polifemo" folgen lassen. Wieder sind Gesangs-Stars wie Julia Lezhneva und Max Emanuel Cencic dabei.

Bildquelle: Parnassus

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Es sind manchmal wenige, manchmal viele Instrumente, die einer Gesangsstimme in der Oper ihren Klangteppich ausrollen – um sie erblühen zu lassen. Und doch: Ist die Wirkung einer Sopranistin, eines Sopranisten nicht dann am größten, wenn punktuell alle Instrumente schweigen, damit die Sängerin und der Sänger ihre Aura im Alleingang entfalten können?

Gestaltung der Seelenlandschaften

Mit Fragen wie diesen hat sich zur Barockzeit nicht nur Georg Friedrich Händel auseinandergesetzt, sondern zum Beispiel auch sein direkter Rivale um die Gunst des Londoner Opernpublikums – Nicola Porpora! Dessen 1735 uraufgeführtes Meisterwerk "Polifemo" beleuchtet ausgiebig die Kennerschaft des Komponisten. Wie viel Porpora vom Gesangsmetier verstanden hat, hören wir an der konkreten musikalischen Formung von singenden Bühnencharakteren. An der Gestaltung der Seelenlandschaften. So manches artistische Kabinettstück Porporas dürfte jeder und jedem Muskelkater im Hals- und Brustbereich bescheren.

Kurz und bündig

Dieses Album hat gefehlt, weil …
… Nicola Porporas Vertonung des "Acis und Galatea"-Stoffs eine echte Alternative zu der bekannten Variante Georg Friedrich Händels darstellt!

Dieses Album lädt dazu ein, nochmals …
… zwei Gesangs-Stars auf dem Höhepunkt ihres Könnens zu erleben: Sopranistin Julia Lezhneva und Countertenor Max Emanuel Cencic!

Dieses Album lohnt sich, weil …
… es die Vorfreude auf den nächsten realen Besuch eines Barockopern-Spektakels anheizt – denn live ist natürlich alles noch viel aufregender!

Tragische Dreiecksgeschichte

Anlass für Virtuosität bietet in diesem Fall ein Libretto von Paolo Rolli: die mythologische Geschichte der Nymphe Galatea und des Hirten Acis, die für den eifersüchtigen einäugigen Zyklopen Poliphem mit Hohn und Spott endet. Eine tragische Dreiecksgeschichte, die es auch im Oeuvre Händels gibt. Aber Porpora zieht im Vergleich zum Hallenser Kollegen keineswegs den Kürzeren – so originell gestaltet er seine Rezitative und Arien, auch das ein oder andere Duett. Mit klarer Steigerungsdramaturgie im Blick. Und eine konzeptionelle Akzentverschiebung gegenüber Händels Version liefert Porporas Oper insofern, als die Titelfigur hier überraschenderweise eine Nebenrolle spielt. Markant assistiert dem Liebespaar dafür Odysseus alias Ulisse.

Bravourös eigenständige Rollengestaltung

Die in Athen entstandene Ersteinspielung des "Polifemo" hat durch den Countertenor Max Emanuel Cencic – wie erwartet – einen mitreißenden Interpreten als Ulisse aufzubieten. Diesmal intoniert er viel sauberer als der andere Counter im Boot: Yurij Minenko. Stärker als dessen Acis punktet Galatea durch die Sopranistin Julia Lezhneva. Eine bravourös eigenständige Rollengestaltung. Das wieder mal rasant auftrumpfende Ensemble Armonia Atenea wird von George Petrou zu Feuereifer angestiftet. So trägt das Orchester dazu bei, dass eine überfällige Rehabilitierung einer vergessenen Oper heftigen Applaus verdient – lauten und langen Beifall.

Infos zur CD

Nicola Porpora:
"Polifemo"


Julia Lezhneva, Sopran – Galatea
Yurij Minenko, Countertenor – Aci
Max Emmanuel Cencic, Countertenor – Ulisse
Pavel Kudinov, Bass – Polifemo
Sonja Runje, Alt – Calipso
Narea Son, Sopran – Nerea

Armonia Atenea
Leitung: George Petrou

Label: Parnassus

Sendung: "Piazza" am 21. Oktober 2023 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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