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Album der Woche – Jean-Guihen Queyras & Alexander Melnikov Cellosonaten von Chopin und Rachmaninow

Sie gelten als Einheit – die Cellosonaten in g-Moll von Frédéric Chopin und Sergei Rachmaninow. Chopins Sonate entstand Ende der 1840er-Jahre, Rachmaninows gut 50 Jahre später. Er ließ sich von Chopins Sonate inspirieren – war fasziniert von dessen Klangwelt und Modernität. Beide Sonaten gibt es jetzt auf einem neuen Album, interpretiert von Pianist Alexander Melnikov und Cellist Jean-Guihen Queyras.

Bildquelle: Harmonia Mundi

Der CD-Tipp zum Anhören

Frédéric Chopins Instrument war eigentlich das Klavier – ihm widmete er den Großteil seines nur kurzen Schaffens, schrieb vor allem Préludes, Etüden, Walzer oder Impromptus, Stücke fernab von klassischer Satzfolge und Formenstrenge. Seine Cellosonate sticht deshalb gleich doppelt heraus – durch den klassischen Satzaufbau und das Instrument.

Zwei Jahre arbeitet Chopin an der Cellosonate 

Chopin widmet die Sonate seinem Freund Auguste Franchomme, damals der bedeutendste Violoncello-Interpret seiner Zeit. Zwei Jahre feilt Chopin an dem Stück, immer wieder ändert er ganze Passagen oder streicht sie sogar, in einem Brief an seine Schwester heißt es: "Ich schreibe wenig und streiche viel". Die viersätzige Sonatenform macht ihm zu schaffen, ebenso die Komposition für ein Instrument, das nicht das seine ist. Zudem läuft es privat nicht gut: Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin George Sand bröckelt, Chopins Tuberkulose wird immer bedrohlicher.

Chopins Sonate – eine "Waldwildnis"?

1847 schließlich führen Chopin und Franchomme die Sonate gemeinsam erstmals auf – die Reaktion ist verhalten, der Pianist und Komponist Moscheles spricht von einer "Waldwildnis, in die nur ab und zu ein Sonnenstrahl fällt". Genau das ist es wohl, was 50 Jahre später den jungen Pianisten und Komponisten Sergej Rachmaninow zu seiner Cellosonate inspiriert. Ebenfalls in schwermütig-düsterem g-Moll beginnend, ebenfalls in vier Sätzen, gewidmet ebenfalls einem berühmten Cellisten, seinem Freund Anatoli Brandukov.

Kurz und bündig

Dieses Album lohnt sich, weil… 
...zwei tolle Solisten auf wunderbarste Weise miteinander musizieren.

Dieses Album hört man am besten, bei… 
… Sorgen oder Liebeskummer, weil am Ende alles gut wird. 

Dieses Album führt bei Überdosis zu… 
… hohen Kosten für Instrumentalunterricht. Weil klar ist: Es gibt Stücke, an die man sich nur nach sehr viel Üben wagen sollte. 

Rachmaninows Erfolg dank Hypnose

Anders als Chopin vollendet Rachmaninow seine Cellosonate in nur wenigen Monaten. Eigentlich hatte er mit dem Komponieren aufhören wollen, litt jahrelang unter Depressionen. Doch dank Hypnose – damals eine bahnbrechend neue Behandlungsmethode, ging es ihm besser und Rachmaninow feierte wieder Erfolge als Komponist. "Meine Angst war weg und hatte einer frühlingshaften Träumerei Platz gemacht, einer Art Sehnsucht, die von Hoffnung und Begierde erfüllt ist", beschreibt er selber seinen Seelenzustand. "Kammerkonzert für Klavier" wird diese Cellosonate oft genannt – für Pianist Alexander Melnikov sind die Rollen klar verteilt: Das Cello singt, das Klavier entfaltet Virtuosität, opulent und einfallsreich.

Die Balance ist optimal

Genau hier liegt die Schwierigkeit, weiß Melnikov, – die Balance zu finden, das Zwiegespräch der Instrumente auszuloten. Jean-Guihen Queyras und Alexander Melnikov gelingt das mühelos. Klar und sensibel entwickeln sie in zweimal vier Sätzen komplexe Seelenlandschaften, ohne sich darin zu verlieren. Ein intensives Hörerlebnis – das am Ende in jubelndem Optimismus mündet. Was kann es Besseres geben in Zeiten wie diesen?

Infos zum Album

Frederic Chopin:
Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll, op. 65
Sergej Rachmaninow:
Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll, op. 19

Jean-Guihen Queyras (Violoncello)
Alexander Melnikov (Klavier)

Label: Harmonia Mundi

Sendung: "Piazza" am 18. Juni 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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