"Stille Nacht ", "O du Fröhliche" oder auch "Leise rieselt der Schnee": Weihnachtslieder gehören zum Fest, die vertrauten und sogar die überstrapazierten allemal. Gleichzeitig gibt es so viel Schönes, das sich an Weihnachten singen oder hören ließe – würde man es nur kennen. Auf die Suche nach solchen musikalischen Schätzen hat sich das englische Vokalensemble The Gesualdo Six gemacht und ein Album mit 21 Weihnachtsgesängen veröffentlicht, die so gar nicht dem Mainstream entsprechen. Umso schöner!
Bildquelle: Hyperion
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"Morning Star" nennen die sechs Sänger des englischen Vokalensembles "The Gesualdo Six" ihr Weihnachtsalbum. Der Morgenstern ist bekanntlich der Planet Venus, jenes Gestirn, das vor Sonnenaufgang am östlichen Himmel auffallend hell leuchtet und einen irgendwie sehr tröstlich in den Tag geleitet. The Gesualdo Six scheint ihn – nicht ganz korrekt – so ein bisschen mit dem Dreikönigsstern oder dem Stern der Weisen zu vermischen. Aber da astronomisch astrologisch ohnehin nie zu klären war, welcher Stern oder Komet die drei Magier zur Krippe in Bethlehem geführt hat, ist das auch schon egal.
Viel wichtiger ist, wie die sechs Briten einundzwanzig ganz unterschiedliche, deutsche, englische, lateinische Weihnachtslieder und -motetten sowie gregorianische Choräle zu einem wunderbar atmosphärischen und dichten Weihnachtsalbum verschmolzen haben. Wie sie selbst schreiben, wollten sie "eine Tapisserie aus bekannten Weihnachtsliedern, Edelsteinen der Renaissance und Höhepunkten des 21. Jahrhunderts weben." Das ist hundertprozentig gelungen. Unter Leitung des Komponisten und Bassisten Owain Park legt The Gesualdo Six mit diesem Album einen in der Tat kostbaren, überdies fantastisch gesungenen Klangteppich vor.
In einigen Fällen sind die Weihnachtsmotetten aus dem 16. Jahrhundert kaum von den erst in den letzten Jahren komponierten zu unterscheiden. Der Beginn von Jacobus Handls "Mirabile mysterium" etwa klingt so modern, dass man die Entstehung um 1580 kaum glauben mag. Im Gegenzug hört man "In Mary's love" der 1952 geborenen Engländerin Judith Bingham seine Modernität zunächst einmal kaum an.
Eine Weihnachtsreise durch die Jahrhunderte, die also auch voller Überraschungen steckt. Wohl für kein christliches Fest wurde so viel komponiert wie für Weihnachten. Auf diesem Album, das The Gesualdo Six weniger für den Weihnachtsabend als für die besinnlichen Tage danach bis zu Epiphanias, dem Fest Drei Könige gedacht hat, sind echte Juwelen zu entdecken. Weihnachtsmusik weit jenseits all dessen, was man so kennt – und einfach wunderschön. Musik zum Träumen oder Nachdenken, Klänge, bei denen man wirklich zu sich kommen kann.
The Gesualdo Six – "Morning STar"
Musik von Clemens non Papa bis Judith Bingham
The Gesualdo Six
Leitung: Owain Park
Label: Hyperion
Sendung: "Piazza" am 09. Dezember 2023 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Mittwoch, 13.Dezember, 15:18 Uhr
Beate Schwärzler
The Gesualdo Six - "Morning STar"
Angehört schon vor 4 Tagen;
und seitdem immer wieder
gehört und gelesen.
Da ist Herrn Oswald Beaujean eine wunderhübsche Besprechung gelungen.
Stumm grüßt B.S.