Unter sängerischen Aspekten war sie das zentrale Ereignis der letzten Bayreuther Festspiele: Elīna Garanča als Kundry in Wagners "Parsifal". Bereits zwei Jahre vor diesem Hügel-Debüt der berühmten lettischen Mezzosopranistin kam es zu ihrem Rollendebüt. Das war im April 2021 an der Wiener Staatsoper. Jetzt ist ein CD-Mitschnitt dieser pandemiebedingt publikumslosen Aufführung erschienen. Neben Elīna Garanča ist Jonas Kaufmann in der Titelrolle dabei. Am Dirigentenpult steht Philippe Jordan.
Bildquelle: Sony Classical
Album der Woche - 09. März 2024
Richard Wagner: "Parsifal"
Der Speer wird zum Stichel – für Sträflinge. Wie bei Tätowierungen üblich, dient die Haut jedes einzelnen, dient der menschliche Körper als Einschreibefläche. Kundry hingegen dient diesmal niemandem, innerhalb dieses Hochsicherheitstrakts. Wagners letzte, definitiv zum Dienen bestimmte Frauenfigur ist bei Regisseur Kirill Serebrennikow kaum wiederzuerkennen. Er deutet Kundry um, definiert sie als eigenständige Akteurin. Plötzlich hat sie Führungsqualitäten in diesem Sammelbecken von christlichem, heidnischem und buddhistischem Gedankengut.
Elīna Garanča brennt vor Neugierde gegenüber dieser rätselhaften Bühnengestalt. Das ist an der unbändigen Energie abzulesen, die sie in ihr leidenschaftlich glühendes und doch hochdiszipliniertes Kundry-Debüt legt. Die Lettin gestaltet hohe Töne so locker wie tiefe, hat keinerlei Probleme mit sauber artikuliertem Deutsch. Ein kristallklarer Blick lässt Elīna Garanča die schillernden Farben ihrer Stimme präzise proportionieren. So haben wir es mit einer fulminanten Interpretation zu tun, die an die vergleichbare Kundry von Christa Ludwig in den 1970er Jahren erinnert.
Anders als Elīna Garanča zehrt Jonas Kaufmann hier von seiner Rollenerfahrung. Gemessen an der Frische der Partnerin wirkt bei ihm mancher Moment nur routiniert absolviert – so souverän der Tenor seinen Part auch jederzeit beherrscht. Der französische Bariton Ludovic Tézier kämpft mit Gralskönig Amfortas noch, fühlt sich offenbar unwohl mit der Partie.
Auf dem gestalterischen Niveau von Elīna Garanča bewegt sich allerdings Georg Zeppenfeld, der den Gurnemanz gewohnt textverständlich und kantabel präsentiert. Philippe Jordan, der bis 2025 amtierende Musikdirektor der Wiener Staatsoper, gehört zu den sachlich-nüchternen "Parsifal"-Dirigenten. Seine flotten Tempi sorgen für den nötigen Fluss für Wagners weihevolle Finessen. Gut so. Trotz der erwähnten sängerischen Defizite ein auch aufgrund der Extraklasse von Chor und Orchester willkommener "Parsifal"!
Riochard Wagner:
"Parsifal"
Elīna Garanča, Mezzosopran – Kundry
Jonas Kaufmann, Tenor – Parsifal
Georg Zeppenfeld, Bass – Gurnemanz
Ludovic Tézier, Bariton – Amfortas
Wolfgang Koch, Bariton – Klingsor
Stefan Cerny, Bass – Titurel
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Leitung: Philippe Jordan
Label: Sony Classical
Sendung: "Piazza" am 09. März 2024 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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