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Film - "Boychoir“ "Der Chor – Stimmen des Herzens"

Der rebellische, musikalisch hochbegabte 12-jährige Stet wird nach dem Unfalltod seiner Mutter in das berühmte "National Boy Choir"-Internat aufgenommen. Dort trifft er auf den strengen Chorleiter Carvelle, gespielt von Dustin Hoffman. Für Carvelle zählt nur die bedingungslose Unterwerfung unter die Kunst. Wie Stet damit umgeht, erzählt der Film "Boychoir“ ("Der Chor – Stimmen des Herzens“) des franko-kanadischen Regisseurs Francois Girard.

Ein Tipp vorneweg: Wenn Sie im Kino günstig sitzen, dann gehen Sie bitte raus, sobald der Abspann läuft: Was da am Schluss an pathostriefender Musiksauce von der Leinwand rinnt, möchten Sie nicht hören, nachdem man Ihnen gut eineinhalb Stunden lang immer wieder wunderbaren a-cappella-Chorklang serviert hat.

Der 12-jährige Stet hat eine Engelsstimme – und das absolute Gehör. Aber im National Boys Choir ist er nur ein Talent von vielen. Bis er bei einer Probe zeigt, was er noch alles kann. Chorleiter Carvelle wird auf ihn aufmerksam. Fordert ihn. Und quält ihn. Weil Stet sich nicht so verhält, wie man es vom Schüler eines Elite-Internats erwarten könnte. Weil er eine Fensterscheibe einwirft und sich prügelt. Carvelle konfrontiert seinen Schützling mit einer Aufführungssituation, stellt ihn auf die Bühne, blendet ihn mit Scheinwerfern. Demütigt ihn, macht ihn klein.

Die Stars des Films schlagen sich wacker: Debra Winger als engagierte Schulleiterin, die nie aufhört, an ihren rebellischen Schützling zu glauben. Und Kathy Bates als erfrischend pragmatische und über ihrer Arbeit mit der Chorleiter-Diva griesgrämig gewordene Internatsleiterin: "Sie werden diese göttlich-geniale Musik von Händel aufführen. Und ich erwarte Tränen im Publikum! Ich will Engel aus himmlischen Höhen herabsteigen sehen. Dort in dieser Kirche. Ich will ergriffene Menschen erleben. Ich will, dass Sie die Scheiben aus den alten Fenstern springen lassen – Sie und Ihre Chorknaben!"

Musikalischer Dustin Hofman

Und dann ist da auch noch Dustin Hoffman als vom Leben und vom eigenen Schicksal gezeichneter Chorleiter. Endlich mal ein Schauspieler, der wie ein Dirigent dirigiert: musikalisch, im Takt, mit Hingabe. Doch alle drei werden sie an die Wand gespielt von einem Zwölfjährigen: Garrett Wareing als Stet ist geradezu furchterregend authentisch in seiner Bockigkeit, die nur Ausdruck seiner Überforderung ist. Die tief erschütternde kindliche Verzweiflung, die Garrett Wareing in dieser Szene im Gesicht geschrieben steht, dieses Nicht-Weinen-Wollen und doch Weinen-Müssen, lernt man auf keiner Schauspielschule.

Vorhersehbare Story, starke Musik

"Boychoir“ – dieser Film mit dem zu kitschigen deutschen Titel "Der Chor – Stimmen des Herzens“ beginnt als stark bebilderte Sozialstudie: die betrunkene Mutter in der düsteren, verwahrlosten Wohnung; der Sohn, der von der Schule heimkommt und erst einmal die Küche aufräumt und den Alkohol in den Ausguss schüttet. Die Story ist vorhersehbar und endet als Märchen: Stet bekommt seine große Chance als Einspringer – auch wenn sich für sein Schicksal niemand interessiert. Der Film glänzt nicht gerade mit feinfühliger Psychologie. Josh Lucas als Vater, vom Drehbuch schmählich alleingelassen, bleibt – wie die ganze Familiengeschichte – ein lebloser Nebenaspekt. Von Stets Einsamkeit erzählen weniger die Figuren als die wuchtigen Gemäuer und düsteren Gänge des Internats. Doch dann ist da immer wieder die Musik von Händel und Mendelssohn – und das Gesicht dieses Garrett Wareing.

"Boychoir“ - "Der Chor - Stimmen des Herzens“

Kinostart Deutschland: 27. August 2015
im Verleih von SquareOne Entertainment und Universum Film
Mit Dustin Hoffman, Kathy Bates, Eddie Izzard, Josh Lucas, Debra Winger, Kevin McHale und Garrett Wareing.


Regie: François  Girard
Drehbuch: Ben Ripley
Produzenten: Judy Cairo, Carol Baum, Jane Goldenring
Kamera: David Franco
Schnitt: Gaétan Huot
Produktionsdesign: Jane Musky
Musik: Brian Byrne

Länge: 103 Minuten

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