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Filmtipp "Hello, I am David"

1996 wird David Helfgott mit einem Schlag durch den Film "Shine" weltberühmt, die Verfilmung seines Lebens. Bei einer Europatournee 2012 begleitet ihn die Regisseurin Cosima Lange. Das filmische Ergebnis ist ab Donnerstag in den deutschen Kinos zu sehen.

Bildquelle: Piffl

Es könnte sein, dass Sie den Wunsch verspüren, nach der ersten Viertelstunde dieses Films aus dem Kino zu stürzen, weil Sie das Gezappel seines Protagonisten nicht aushalten. Widerstehen Sie diesem Impuls! Es gibt nur eine Situation, in der David Helfgott stillsitzt: im fahrenden Auto. Aber sobald die Ampel auf rot steht, wird er unruhig. Im Hotel geht er sofort auf Entdeckungsreise. Und beim Strandspaziergang oder vor dem Konzertsaal büxt er aus, um wildfremde Menschen zu umarmen. Die Bühne betritt er nicht, wie man das so macht, gemessenen Schritts. Er läuft auf das Klavier zu, verbeugt sich linkisch, begrüßt Zuschauer per Handschlag, lacht über das ganze Gesicht, hält dem Publikum die nach oben gereckten Daumen entgegen, nimmt Platz, wartet zusammengekrümmt wie einst Glenn Gould auf seinen Einsatz. Und dann geht die Post ab.

Hello, I Am David! - Szene aus dem Film | Bildquelle: Piffl Bildquelle: Piffl David Helfgott spielt, am liebsten Rachmaninow, aber er hört nicht auf zu reden. Er brabbelt, kommentiert, singt mit. Und sucht unentwegt den Kontakt zum Publikum. Das ist kein normales Konzert. Das muss man erst einmal aushalten, sagt Dirigent Matthias Foremny: "Im Tutti mit dem Orchester ist er manchmal abgelenkt vor Begeisterung, weil er sich so freut, dass die Flöte mit ihm spielt, das Horn oder die Celli. Aber das macht eben auch diesen speziellen improvisierenden Charakter dieser Aufführungen aus. Es ist ein tolles Klavierspiel dahinter. Das ist nicht geprägt von Perfektion, sondern von urwüchsiger Musikalität, von Drive, von Verträumtsein und von vielen Extremen."

Und dann denkt man: Na, was wird jetzt als nächstes passieren.
Dirigent Matthias Foremny

David Helfgott...

...geboren 1947 in Australien, galt als pianistisches Wunderkind. Mit acht Jahren gewann der Sohn polnisch-jüdischer Eltern seinen ersten Preis; mit 15 empfahl ihn Isaac Stern an das Curtis Institute in New York. Der Vater legte sein Veto ein. Später ließ sich David, gegen den väterlichen Willen, im Royal College of Music in London ausbilden. Mit 23 triumphiert er bei seinem Debüt in der Royal Albert Hall mit Sergej Rachmaninows drittem Klavierkonzert. Kurz darauf erleidet er einen Nervenzusammenbruch und kehrt nach Australien zurück. Die Ärzte diagnostizieren eine schizoaffektive Störung und stecken David für fast elf Jahre in eine psychiatrische Klinik. Gillian, seine zweite Frau und seine große Liebe, holt ihn aus dem Gefängnis seiner Krankheit auf die Konzertpodien zurück. Mit dem Kinofilm "Shine" hat Regisseur Scott Hicks mit Geoffrey Rush als Hauptdarsteller die Lebensgeschichte von David Helgott auf die Leinwand gebracht.

David Helfgott braucht solche Menschen, die seine Art, sein Verhalten nicht als Behinderung, sondern als Bereicherung wahrnehmen. Einen Dirigenten und Orchestermusiker, die mit diesem Künstler ein gewisses Risiko eingehen und dann immer wieder mit einem fulminanten musikalischen wie auch menschlichen Erlebnis belohnt werden. Die vielen glücklichen Gesichter nach dem Konzert erzählen davon. Und er braucht eine kluge Frau wie Gillian, 15 Jahre älter als er, die ihn durch das Leben begleitet, die ihn souverän und behutsam führt, ermutigt, bremst. Und schützt. Auch vor seiner Vergangenheit.

Man erfährt nicht genau, was einst schiefgelaufen ist im Leben dieses Wunderkinds. Ob man von Schuld des strengen, überfürsorglichen Vaters reden kann, der fast seine gesamte Familie im Holocaust verloren hatte. Man schaut berührt einem Leben zu, das noch einmal die Kurve gekriegt hat. In manchen Szenen scheint es, als würde nicht Cosima Lange, sondern David Helfgott selbst Regie führen. Jedenfalls lässt sie ihn gewähren, wenn er unvermittelt die Dramaturgie durcheinanderbringt und seine Regisseurin immer wieder ins Bild holt, um ihr die Welt zu zeigen: ein staunendes, anstrengendes, bezauberndes altes Kind, das wiedergefunden hat, was ihm am wichtigsten ist: "Er denkt an Flüsse und Bäume, an den Himmel und an Vögel, wenn er übt. Es sind nicht die Noten, die ihm durch den Kopf gehen."

Es ist die Musik, die ihn durchdringt.
Gillian Helfgott, Ehefrau von David Helfgott

"Hello, I am David - eine Reise mit David Helfgott"

Ein Dokumentarfilm von Cosima Lange
Länge: 98 Minuten

Ab 21. Januar 2016 in deutschen Kinos
In Bayern unter anderem im "Mephisto" in Augsburg, im "Metropolis" in Nürnberg und im "Studio Isabella" in München

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