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Kritik - Dokumentarfilm "Maria by Callas" Neuer Blick auf eine einzigartige Künstlerin

Nach einem Opernabend in der New Yorker Met sucht der junge französische Fotograf, Schauspieler und Filmemacher Tom Volf im Internet nach Informationen zu Gaetano Donizettis "Maria Stuarda" – und entdeckt eine Sängerin, die ihm bis dahin unbekannt gewesen ist: Maria Callas. Erscheinung und Stimme der Sopranistin faszinieren ihn so, dass er sich jahrelang wie besessen in ihre Lebensgeschichte hineingräbt; das Ergebnis ist ein Film über die legendäre Sopranistin. "Maria by Callas" heißt die Dokumentation, die am 17. Mai in den deutschen Kinos anläuft.

Bildquelle: © PRAESENS Filmverleih

Die Kritik zum Anhören

"In diese Karriere wurde ich hineingezwungen. Zuerst von meiner Mutter, dann von meinem Mann. Ich hätte mit Freuden alles aufgegeben. Aber Schicksal ist Schicksal. Und da gibt es keinen Ausweg." Desillusioniert, ohne sichtbare Regung zieht die berühmteste Operndiva des 20. Jahrhunderts Bilanz. 47 Jahre alt ist Maria Callas zum Zeitpunkt des Interviews – eine strenge, makellos schöne, königliche Erscheinung.

Elegant gekleidet, perfekt geschminkt

Viel Bildmaterial in diesem Film stammt aus privaten Quellen: die Callas auf der Gangway eines Flugzeugs, beim Verlassen der Wohnung, beim Einsteigen ins Taxi – immer umringt von Kameras und Mikrofonen, bedrängt von Reporterhorden. Ein Solitär, eine Erscheinung, in hoheitsvoller Haltung, elegant gekleidet, perfekt geschminkt, mit einem Lächeln auf den Lippen, das nicht einmal künstlich wirkt. Wieviel Kraft das wohl gekostet hat …

Machtkampf mit Rudolf Bing

In einer einzigen Szene nur rastet sie (kontrolliert) aus: als sie den Journalisten erzählt, dass sie sich mit Rudolf Bing, dem Chef der New Yorker Met, überworfen hat. Nur alte, schäbige, abgespielte Inszenierungen habe er ihr für die neue Saison angeboten. Und dann, in Verdis "Macbeth", in zehn Vorstellungen zehn verschiedene Tenöre und zehn verschiedene Baritone! Das habe doch nichts mit Kunst zu tun! Für Rudolf Bing ist dieser Streit ein Machtspiel, für die Callas ist er eine Frage des Arbeitsethos. Und weil sie sich in Rom im zugigen Hotelzimmer eine Bronchitis holt, muss sie nach dem 1. Akt die "Norma" abbrechen – auch wenn der Staatspräsident im Publikum sitzt. Denn eine größere Verantwortung hat sie gegenüber einem anderen: Vincenzo Bellini. "Ich konnte doch nicht, nur um das Protokoll einzuhalten meine Verpflichtung diesem großen Musiker gegenüber vernachlässigen, indem ich die restlichen Akte seiner Norma krächzte statt zu singen", rechtfertigt die Sängerin ihr Vorgehen.

Künstlerin und Perfektionistin

Immer wieder ist man als Zuschauer bereit, Partei für sie zu ergreifen. Für eine verantwortungsvolle Künstlerin und Perfektionistin. Von Exaltiertheit keine Spur. Stück für Stück, Bild für Bild setzt dieser Film innerhalb von zwei Stunden eine faszinierende Persönlichkeit zusammen. Einsamkeitsstudien, Bühnentriumphe – und immer wieder federleichte Sommerbilder: die Callas am Gardasee oder auf der Yacht im Mittelmeer, im luftigen Kleid, mit weißem Kopftuch und Sonnenbrille. Entspannt, gelöst. Vielleicht auch glücklich?

Ich fühle mich verloren nach so vielen Jahren der Arbeit.
Maria Callas

Kein Melodram, sondern Tragödie

Kein Kommentar stört diese Annäherung. Die Callas spricht für sich – in ihren Worten, ihren Blicken, ihren Arien. Und in ihren Briefen. Die werden gelesen von Eva Mattes – mit verhangener Stimme, von kaum spürbarer Trauer durchzogen, nie überschwänglich, nie larmoyant. Die Callas war nicht gemacht fürs Melodram, sie war gemacht für die Tragödie. Und wenn sie ihrer Lehrerin Elvira de Hidalgo schreibt, dass Onassis sie verlassen hat, macht der Tonfall der Mattes uns frösteln. "Ich fühle mich wie nach einem heftigen Schlag auf den Kopf und ich komme immer noch nicht zu Atem", heißt es in dem Brief. "Ich bin in Paris und will versuchen, etwas Ordnung in meinen Kopf zu bekommen, der so weh tut. Ich versuche diese Monate irgendwie zu überstehen. Ich fühle mich verloren nach so vielen Jahren der Arbeit und der Opfer für einen Mann, dass ich nicht mehr weiß, wo ich hin soll ."
"Maria by Callas" - das ist großes Kino auf allen Ebenen.

Sendung: "Piazza" am 12. Mai 2018, 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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