Er war ein Weltstar, der immer "bigger than life" wirkte, aus einfachen Verhältnissen stammte und nie vergaß, woher er kam: Luciano Pavarotti. 2007 ist er gestorben, mit 71 Jahren. Eine neue Dokumentation des US-Amerikaners und Oscar-Gewinners Ron Howard stellt uns jetzt – so der Anspruch – nicht nur den Sänger, sondern vor allem auch den Menschen Pavarotti vor – mit noch nie veröffentlichten Fotos und Videos.
Bildquelle: Wild Bunch Filmverleih
Es dauert 25 Minuten, bis sein berühmtestes Requisit ins Bild kommt: ein großes weißes Taschentuch. Sein Manager hat es ihm bei seinem ersten Recital in die Hand gedrückt, weil Pavarotti nicht wusste, was er mit seinen Händen machen sollte.
Oh mein Gott, wohin nur mit meinen Händen?!
Caruso war Pavarottis Vorbild – und so startet diese filmische Biografie im brasilianischen Regenwald: im Opernhaus von Manaus, in dem auch Caruso aufgetreten ist. Seltsam: Was ein magischer erster Moment dieses Films sein könnte, verpufft. Faszination will sich nicht einstellen, die Aura des Orts bleibt uns verschlossen. Das liegt nicht an den privaten Amateuraufnahmen, sondern ist dem Konzept dieser Dokumentation geschuldet. Regisseur Ron Howard spielt mit einer Überfülle an Material: Fotos aus der Kindheit und Jugend des Sängers, Plattencover, Mitschnitte von Bühnenauftritten - und Dutzende von Interviewschnipseln mit Agenten und Sängerkollegen. Alles in rasend schneller Abfolge zusammenmontiert. Die Bilder haben keine Zeit zu wirken, Atmosphäre zu schaffen. Schade.
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PAVAROTTI Trailer German Deutsch (2019)
Am stärksten ist der Film, wenn Pavarottis Angehörige zu Wort kommen: Illusionslos und mit trockenem Humor resümiert seine Frau Aduana 33 gemeinsame Jahre, in denen Pavarotti das Bild einer intakten Familie hochhält – bis Paparazzi Urlaubsfotos mit seiner jungen Freundin veröffentlichen. Mit ihr, Nicoletta Mantovani, wird Pavarotti seine letzten Lebensjahre verbringen und noch eine Tochter haben. Berührend sind die zum Teil schmerzhaften Erinnerungen seiner Töchter aus erster Ehe dazu. Eine Beziehung mit einer um 34 Jahre Jüngeren? Da wankte das Denkmal Pavarotti im katholischen Italien, und die Familienbande rissen. Doch er hatte sich, sagt Pavarotti, einfach verliebt!
Als ob ich seine Stimme sehen könnte.
Man konnte diese Stimme sehen, sie war von unglaublicher Klarheit, wie ein scharfes Foto – das sagt die Sopranistin Carol Vaness und liefert das einzige Statement zu Pavarottis vokaler Faszination. Es fehlt eine kritische Einschätzung seiner Bühnenpräsenz, die sich oft im Rampensingen erschöpfte.
Luciano Pavarotti und Prinzessin Diana | Bildquelle: Pathé Films AG
Luciano Pavarotti war ein Künstler mit Auftrittsangst. Und ein Mensch mit großem Herzen. "Il monello", der Schelm mit dem spitzbübischen Lächeln. Ein "Frauentyp", unter lauter Frauen aufgewachsen, von Frauen geprägt. Immer nah dran an seinem Publikum. Ob im blauen Trainingsanzug in einer Kochsendung im Fernsehen – oder bei einem verregneten Konzert im Londoner Hyde Park, als er einer völlig durchnässten Prinzessin Diana eine Arie widmet. Herrliche Bilder sind das.
Als Pavarotti 2007 an Bauchspeicheldrüsenkrebs stirbt, haben ihm die Italiener seinen Ehebruch längst verziehen, und ganz Modena, seine Heimatstadt, versammelt sich in Trauer hinter seinem Sarg. Kurz zuvor hat ihm Aduana am Sterbebett noch einmal seine Leibspeise, Spaghetti alla Napoletana, gekocht. Von diesen Geschichten hätte ich gern mehr gehabt – vom Menschen Luciano Pavarotti, dessen Leben in diesen zwei Stunden zu atemlos vorbeirauscht.
Dokumentation von Ron Howard
Dauer: 1 Stunde 57 Minuten
Kinostart: 26. Dezember 2019
Sendung: "Allegro" am 19. Dezember 2019 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK