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Dokumentarfilm "Tango Pasión" Eintauchen in die Berliner Tango-Szene

Mit ihrem Dokumentarfilm "Tango Pasión" taucht die Regisseurin Kordula Hildebrandt in die Berliner Tangoszene ein. Dort schießen Tangoschulen in allen Vierteln wie Pilze aus dem Boden. 300.000 sollen schon dem Tanz verfallen sein.

Der chilenische Musiker und Literaturwissenschaftler Jorge Aravena Llanca, der in Berlin lebt und arbeitet, ist streng mit den Tango tanzenden Berlinern. Tango muss man im Blut haben - dieses Credo hört man immer wieder von den Südamerikanern, die in Kordula Hildebrandts Dokumentation zu Wort kommen. Und die doch großen Respekt haben vor dem Ehrgeiz und dem Enthusiasmus der Deutschen, sich diesen Tanz zu eigen zu machen. Tango: ein nonverbaler Dialog - Kommunikation mit Musik, bei der man im Idealfall die Welt um sich vergisst, einfach ausschaltet: "Wenn das passiert, dann fängt man an, viele Dinge zu entdecken. Beim Partner und auch bei sich. Man lernt sich vollkommen neu kennen und entdeckt unglaublich viele Seiten an sich selber." Eine Tango-Tänzerin in dem Film 'Tango Pasión'

Tangolehrer, Bandoneon- und Gitarrenbauer, Musiker, Profitänzer und Amateure - sie alle suchen in diesem Film das Geheimnis des Tangos. Und der Zuschauer kann seine Klischees überprüfen: Tanzt dieses deutsche Tanzlehrerpaar nicht sehr ernst, sehr abgezirkelt - im Gegensatz zu den beiden Argentiniern mit ihren wunderbar weich und natürlich fließenden Arabesken?  

Die Regisseurin kommentiert nichts, auch nicht die Statements ihrer Protagonisten. Sie gibt ihnen Raum und schickt die Kamera vor: die umspielt scheu fast Beine und Arme, Hände, Füße und Körper der Tanzenden, verweilt nie lange auf einem Paar, tastet sich weiter, bevor man sich beobachtet fühlt. Ein zweites Paar schiebt sich ins Bild, für Sekunden nur rücken Gesichter in den Fokus: angestrengt-aufmerksam, weil technisch noch nicht untadelig, die einen, entspannt lächelnd, sich von der Musik tragen lassend die anderen. "Tango Pasión" ist ein außergewöhnliches akustisches Vergnügen - und eine beglückend gelungene optische Studie.

Getanzt wird in einer Einkaufspassage und im Bahnhof, im Roten Salon und in Clärchens Ballhaus, im dunklen Studio und im lichtdurchfluteten Spiegelsaal - und auf dem Hausdach in der Abendsonne, die durch die Wolken bricht. Und nichts wirkt geschmäcklerisch. Wir begreifen: die Welt des Tangos ist groß und weit. Und so wie Astor Piazzolla vor mehr als 30 Jahren mit seinem Tango Nuevo unter Protest der Konservativen den Tango revolutioniert hat, stehen wir heute vielleicht vor einer weiteren, möglicherweise deutschen Tango-Revolution, angezettelt in Berlin.

Tango Pasión

Deutschland, 2015
Regie: Kordula Hildebrandt
Länge: 83 Minuten
Kino-Start: 17. September 2015

Der Dokumentarfilm im Internet: tangofilm.de

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