Beethoven
Freiheit über alles
Mit seinem ersten erhaltenen Brief schreibt der 16-jährige Beethoven am 15. September 1787 Joseph Wilhelm von Schaden in Augsburg, von dem er Geld für die Rückreise von Wien nach Bonn geliehen hat.
Hochedelgeborner
insbesonders werter Freund!
(…) ich muß Ihnen bekennen: daß, seitdem ich von Augsburg hinweg bin, meine Freude und mit ihr meine Gesundheit begann aufzuhören; je näher ich meiner Vaterstadt kam, je mehr Briefe erhielte ich von meinem Vater, geschwinder zu reisen als gewöhnlich, da meine Mutter nicht in günstigen Gesundheitsumständen wär; ich eilte also, so sehr ich vermochte, da ich doch selbst unpäßlich wurde: das Verlangen meine kranke Mutter noch einmal sehen zu können, setzte alle Hindernisse bei mir hinweg, und half mir die größte Beschwernisse überwinden. Ich traf meine Mutter noch an, aber in den elendesten Gesundheitsumständen; sie hatte die Schwindsucht und starb endlich ungefähr vor sieben Wochen, nach vielen überstandenen Schmerzen und Leiden. Sie war mir eine so gute liebenswürdige Mutter, meine beste Freundin; o! wer war glücklicher als ich, da ich noch den süßen Namen Mutter aussprechen konnte, und er wurde gehört, und wem kann ich ihn jetzt sagen? den stummen ihr ähnlichen Bildern, die mir meine Einbildungskraft zusammensetzt? So lange ich hier bin, habe ich noch wenige vergnügte Stunden genossen; die ganze Zeit hindurch bin ich mit der Engbrüstigkeit behaftet gewesen, und ich muß fürchten, daß gar eine Schwindsucht daraus entstehet; dazu kömmt noch Melankolie, welche für mich ein fast ebenso großes Übel, als meine Krankheit selbst ist. denken Sie sich jetzt in meine Lage, und ich hoffe Vergebung, für mein langes Stillschweigen, von Ihnen zu erhalten. die außerordentliche Güte und Freundschaft, die Sie hatten mir in Augsburg drei Karolin zu leihen, muß ich Sie bitten, noch einige Nachsicht mit mir zu haben; meine Reise hat mich viel gekostet, und ich habe hier keinen Ersatz, auch den geringsten zu hoffen; das Schicksal hier in Bonn ist mir nicht günstig.
Sie werden verzeihen, daß ich Sie so lange mit meinem Geplauder aufgehalten, alles war nötig zu meiner Entschuldigung.
Ich bitte Sie mir Ihre verehrungswürdige Freundschaft weiter nicht zu versagen, der ich nichts so sehr wünsche, als mich Ihrer Freundschaft nur in etwas würdig zu machen.
Ich bin mit aller Hochachtung
Ihr gehorsamster Diener und Freund
L. v. Beethoven.
kurf.-kölnischer Hoforganist
(Emerich Kastner, Julius Kapp (Hg.) Ludwig van Beethovens sämtliche Briefe. Leipzig 1923)