Mit über 120 Mitwirkenden und zehn Tonnen Gepäck ist das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nach Amerika geflogen. Bevor es auf die Bühne geht, gab es noch einige Hürden zu überwinden - vor allem bürokratischer Natur. BR-KLASSIK-Reporterin Anna Novák hat sich mit den ganz besonderen amerikanischen Zollbestimmungen auseinandergesetzt ...
Bildquelle: BR / Ralf Wilschewski
Drei große schwarze Koffer stehen in der Hotellobby. Eben hat Mike Wegner, der Tourmanager, sie am Flughafen abgeholt. In diesen drei Koffern stecken die wichtigsten Hilfsmittel der Streichergruppe des BR-Symphonieorchesters: 95 Bögen, sorgsam nebeneinander aufgereiht und jeweils mit einer Nummer gekennzeichnet. Anders als die meisten einigermaßen kompakten Instrumente dürfen die Bögen diesmal nicht im Handgepäck mitfliegen. Schuld daran ist ein amerikanisches Gesetz: "Der Grund, dass wir die Bögen diesmal so gut identifizierbar und gesondert zusammengepackt haben, ist hauptsächlich der, dass die Naturschutzbehörde die Möglichkeit hat, sich die Bögen bei der Einreise anzugucken", sagt Wegner.
Im April führt eine Nordamerika-Tournee das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in die USA und Kanada. Zu den Stationen zählen unter anderem Washington, Chicago und Montreal. Die Tour findet ihren Abschluss mit zwei Konzerten in der New Yorker Carnegie Hall am 19. und 20. April. Auf der Homepage des Orchester sowie auf dessen Facebook-Seite finden Sie weitere spannende Informationen zur Tour.
Die Einfuhrbestimmungen von Elfenbein oder Eidechsenhaut sind im so genannten Washingtoner Artenschutzübereinkommen geregelt. In diesem besonderen Fall hat die zuständige amerikanische Naturschutzbehörde aber eine weitere Vorgabe: Auch Perlmutt ist schützenswert - und Perlmutt ist in den meisten Streicherbögen verbaut, allerdings nicht zur Klangoptimierung, sondern aus rein optischen Gründen. Trotzdem ist diese Vorgabe ernst zu nehmen, sagt Tourmanager Wegner, denn die amerikanischen Behörden sind mit den mitgebrachten Instrumenten oft nicht zimperlich: "Es gibt auch ganz andere Geschichten: Da werden Bögen vom U.S. Fish and Wildlife Service konfiziert und einfach geschreddert."
Ein solches Horror-Erlebnis gab es in Wegners Symphonieorchester-Zeiten glücklicherweise noch nicht - auch wenn vor zwei Jahren der Bogen einer Cellistin bei der Einreise einbehalten wurde und sie ihn erst vor wenigen Wochen zurückbekommen hat. Dass die Musiker nur ungern ihre Bögen hergeben, ist also verständlich. Geiger Michael Christians zieht daraus Konsequenzen und lässt sowohl sein teures Instrument als auch den kostbaren Bogen daheim: "Mein schöner Lepeau ist zu Hause geblieben, weil ich dem Zoll natürlich gar nicht mehr vertraue. Deswegen habe ich auch eine einfache Geige im Gepäck."
Insgesamt rund 24 Stunden sind die Musiker des BR-Symphonieorchesters von ihren Bögen getrennt - Stunden, in denen sie nicht üben können. Am ersten Tag ist das nicht so schlimm, findet Bratscherin Veronique Bastian. Denn alle sind noch ein bisschen vom Jetlag gebeutelt und müssen sich erst einmal akklimatisieren.
Mit oder ohne Instrument - Hauptsache, man ist gut drauf. Dann ist alles gut.
Bevor es für die Musiker heute Abend auf die Bühne des John F. Kennedy Center for Performing Arts geht, werden die meisten in Washington doch noch einmal ihre Bögen zücken und in den Hotelzimmern ein wenig üben. Und die Zeitverschiebung ist für die reiseerprobten Musiker auch kein wirkliches Problem, sagt Michael Christians: "Jeden Abend passiert etwas anderes. Das ist ja die Inspiration, sonst bräuchten wir auch nicht sechsmal Schostakowitsch oder fünfmal Mahler hintereinander spielen, wenn das nicht jedes Mal wieder zum Ereignis werden kann."