Das Theater an der Rott darf trotz Lockerungen nur 25 Prozent seiner Kapazität nutzen: Der Bau ist marode, die Versicherung macht Vorgaben. Wie es weitergeht, ist offen. Trotzdem gelang ein ausgelassener Operetten-Erfolg von "ansteckender" Wirkung.
Bildquelle: Rupert Rieger / Theater an der Rott
Glücklich ist, wer vergisst - klar, wer wollte Johann Strauß da widersprechen, und im niederbayerischen Eggenfelden gibt es gerade besonders viel zu "vergessen", jedenfalls am dortigen Theater an der Rott. Das nämlich ist nicht nur, wie alle anderen Bühnen auch, von der Pandemie gebeutelt, sondern zusätzlich von Hiobsbotschaften der Baufachleute.
Die tragende Decke zwischen Theatercafé im Keller und Zuschauerraum im Erdgeschoss entspricht nicht mehr den Brandschutzanforderungen. Also ist das Café dauerhaft geschlossen und das Theater nur noch eingeschränkt bespielbar. Egal, wie die aktuellen Corona-Maßnahmen nun gerade aussehen, es dürfen bis zu einer Sanierung nur 25 Prozent der Sitzkapazität genutzt werden. Aber die wenigen Zuschauer, die da sein konnten, waren bei der Premiere der "Fledermaus" hingerissen.
Bei der Generalprobe haben mich plötzlich fremde Leute umarmt.
Elke Schwab-Lohr, die das Theater nach dem überraschenden Rücktritt ihres Mannes kommissarisch leitet: "Es ist ein Gute-Laune-Abend. Bei der Generalprobe haben mich plötzlich fremde Leute umarmt. In Zeiten wie diesen ist das natürlich befremdlich. Die haben sich bedankt für diese gute Stimmung und für das Glücklichsein über drei Stunden. Es ist eine schwierige Situation für uns, aufgrund der baulichen Mängel und der deswegen vorgeschriebenen 25-Prozent-Auslastung seitens der Versicherung, eben wegen des desolaten Zustands des Hauses."
Mit einem Salonorchester muss das Theater an der Rott auskommen, der Orchestergraben ist klein, auf der Bühne haben neben den Solisten auch nur ein paar Tänzer und einige wenige Chormitglieder und Statisten Platz, aber denen gelang in der Regie der amerikanischen Sopranistin Lynda Kemeny, die viele Jahre in Bielefeld engagiert war und an der Musikalischen Komödie in Leipzig und vielen anderen Stationen Erfahrungen sammelte, ein sehr unterhaltsamer, wenn auch konventioneller Operettenabend. Fans von Flitter, Sektflöten und Konfetti wurden bestens bedient.
Bildquelle: Rupert Rieger/Theater an der Rott Was sonst noch dazu gehört? Tempo natürlich, und Darsteller, die als Sänger ebenso glaubwürdig sind wie als Tänzer, Partygänger und Schauspieler. Kurz und gut: Die ihre gute Laune nicht nur vor sich her tragen und behaupten, sondern leben, ausfüllen, weitergeben ans Publikum. Früher hätte es geheißen: Die "ansteckenden" Esprit mitbringen, doch inzwischen werden mit jeder Art von Infektion ja völlig falsche Assoziationen geweckt. Lynda Kemeny hat die Hauptrolle der Rosalinde Eisenstein zigmal selbst gesungen, sie hat ein Gespür für Situationskomik und Raumaufteilung. Ihre Inszenierung hätte natürlich noch frecher sein können, hier und da wären auch noch reaktionsschnellere Dialoge denkbar, aber das trübte den Gesamteindruck überhaupt nicht.
Nur die kabarettistische Einlage des Gefängniswärters Frosch war tatsächlich etwas arg harmlos: Zwar wollte der im Wandschrank den Landrat entdeckt haben und auf dem Schreibtisch eine unbearbeitete Vorlage über die Erhöhung der Kulturförderung, doch angesichts der unsicheren Zukunft von Deutschlands einzigem Landkreistheater wäre in dieser "Fledermaus" noch deutlich mehr satirische Würze angebracht gewesen. Immerhin: Der leicht angeheiterte Frosch geht buchstäblich durch die Wand und hält danach prompt ein paar Ziegel in der Hand, mit dem Hinweis, dass bei derart brüchigen Verhältnissen doch mal bei Gelegenheit renoviert werden müsste.
Unter den derzeitigen Bedingungen waren alle Vorstellungen selbstredend sofort ausverkauft, was Elke Schwab-Lohr allerdings nicht als "Vorteil" sieht, wie sie dem BR verriet: "Nein, das hat nichts Gutes, das ist eine Katastrophe, das tut wirklich, wirklich weh, weil wir doppelt und dreifach buchen könnten und absolut ausgelastet sind, aber ich darf so viel verraten, dass wir diese Operette in der nächsten Spielzeit wieder aufnehmen werden."
Bildquelle: Rupert Rieger / Theater an der Rott Die Besetzung dieser "Fledermaus" konnte sich sehen und hören lassen: Bonko Karadjov ist ein herrlich narzisstischer Eisenstein, Eva Maria Amann als Rosalinde umwerfend versnobt. Tamara Obermayr als Prinz Orlofsky eine androgyne Erscheinung, halb Frau, halb Mann und dazwischen ungemein neugierig. Olivia Delauré als Stubenmädchen Adele, das unbedingt Schauspielerin werden will, so energiesprühend, dass sie alle anderen vor sich her treibt. Und Armin Stockerer als Gefängniswärter Frank von souveräner, etwas linkischer Ausstrahlung, wie es sich für eine Autoritätsperson gehört.
Dirigent Dean Wilmington, derzeit auch kommissarischer Leiter des Landkreistheaters, musste etwas "warm" werden mit der Partitur: Vor der ersten Umbaupause geriet er hier und da ins Schleppen, doch zur Champagnerstimmung beim Ball perlte es dann ganz prima. Ein ausgelassenes Premierenpublikum fast schon in Faschingsstimmung, aber auch die gilt es ja dieses Jahr noch zu vergessen. Umso mehr dürfen sich alle auf die Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit freuen!
Sendung: "Piazza" am 19. Februar 2022 ab 08:05 Uhr af BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Dienstag, 22.Februar, 13:40 Uhr
Christine Hagn
Karten für Sonntag
Habe Eure Kritik gelesen, fand sie sehr interessant. Wir hatten Karten für Sonntag - fiel leider aus. Ich fand es toll, dass Theater an der Rott um 15,00 Uhr angerufen hat (diese Mühe alle Kartenbesitzer anzurufen) um uns mitzuteilen, "fällt leider aus - Corona". Ich bin mir sicher - nächstes Jahr sind wir dabei - wir freuen uns auf die Fledermaus. Ich habe das Gefühl: Die "Macher" dieses Theaters sind mit soviel Liebe, mit soviel Engagement am Werk: Ihr schafft es - Theater an der Rott geht weiter und wir sehen nächste Saison eine begeisternde Fledermaus.