Der Argentinier Franco Fagioli gilt weltweit als einer der virtuosesten Countertenöre. Am 12. Februar ist er mit der Hofkapelle München unter Leitung von Rüdiger Lotter im Münchner Prinzregententheater zu erleben. Mit BR-KLASSIK sprach er über den Gebrauch des Vibratos in der Barockmusik und welche Rolle der Belcanto für ihn spielt.
Bildquelle: Julian Laidig
Der Countertenor Franco Fagioli
"Das hat überhaupt nichts Menschliches"
BR-KLASSIK: Viele Leute sagen, Barockmusik muss gerade sein, ohne Vibrato. Das ist überhaupt nicht Ihre Art, Barockmusik zu machen und das ist letztlich auch nicht historisch korrekt, oder?
Franco Fagioli: Das ist ein Fehler. Das hat überhaupt nichts Menschliches. Das Vibrato ist doch letztlich nur eine bestimmte Art, die Stimmbänder zum Schwingen zu bringen. Diese Technik kann ich gezielt für Verzierungen einsetzen – oder auch nicht. Das heißt, ich kann das Vibrato spielerisch einsetzen. Aber man kann einem Menschen nicht einfach vorschreiben, ohne Vibrato zu singen.
BR-KLASSIK: Vibrato als Verzierung wurde ja in der Barockmusik oft ganz spontan gemacht, improvisatorisch. Auch in der Volksmusik ist das so. Wie weit gehen Sie da? Wieviel Spontaneität leisten Sie sich und wie stark weichen Sie auch mal vom Notentext ab?
Franco Fagioli: Ich denke, wenn etwas außer Kontrolle gerät, dann stimmt da was nicht, oder? Wenn man da aber gar nicht so sehr darauf achten muss, dann funktioniert der ganze Stimmapparat richtig. Und dann kann man mit dem Vibrato auch ganz natürlich umgehen und es hier und da für Verzierungen verwenden. Generell denke ich, dass Klassische Musik heute anders wahrgenommen wird, als zu der Zeit, zu der sie komponiert wurde. Manchmal sind wir heute sehr weit entfernt von dem, was Klassische Musik wirklich ausmacht. Wenn zum Beispiel früher eine Oper komponiert wurde, dann ging es doch in erster Linie darum, die Leute damit zu unterhalten. Eine Oper war so eine Art Musical. So sehe ich das zumindest, auch im Hinblick auf Vibrato.
Mein Gesangsunterricht war sehr stark von Belcanto geprägt.
BR-KLASSIK: Sie werden hier in München Barockmusik singen, zusammen mit der Münchner Hofkapelle unter Rüdiger Lotter. Wie wichtig ist für Sie die Klassische Musik oder die nachbarocke Musik generell? Sie haben sich ja auch bis hin zu Rossini mit Belcanto beschäftigt und den Countertenor aus der Alte-Musik-Ecke herausgeholt.
Franco Fagioli: Meine Anfänge als Countertenor waren weniger akademisch, als man es hier in Europa erwartet. Das wissen viele nur nicht. Ich habe in Argentinien studiert. Die Oper dort ist stark von der italienischen Operntradition beeinflusst, vor allem vom frühen 19. Jahrhundert. Ich habe natürlich Händel-Arien gesungen, aber immer auch viel Rossini und Donizetti. Mein Gesangsunterricht war sehr stark von Belcanto geprägt. Als ich nach Europa kam, waren die Leute hier sehr überrascht, dass ich als Countertenor nicht bloß Barock-Repertoire singe. Für mich war und ist es ganz normal. Darum habe ich auch eine ganze CD mit Arien von Rossini aufgenommen. Seine Musik hat mich von Anfang an begleitet. Auf der CD zeige ich meine ganz eigene Art und Weise zu singen. Dadurch erklärt sich auch, wieso ich zum Beispiel Händel so singe, wie ich ihn singe: Weil meine Technik eben sehr stark vom Belcanto geprägt wurde.
BR-KLASSIK: Andreas Scholl hatte eine ähnliche Karriere wie Sie. Er ist ja auch Countertenor. Aber er hat mir mal erzählt, dass er davon träumt, ein Mal den Don Giovanni zu singen. Als Sprechstimme oder wenn er Brustregister singt hat er nämlich einen ganz schönen Bariton. Gibt es eine Tenor-Rolle, die Sie ganz gerne mal singen würden?
Franco Fagioli: Ich bin sehr glücklich mit dem, was ich mache. Bei Rossini fühle ich mich im Grunde genommen schon fast wie ein Tenor. Ganz ehrlich, ich mag viele Tenor-Arien sehr. Trotzdem reizt es mich nicht, sie zu singen. Ich fühle mich so wohl mit meinem Repertoire, da gibt es noch so viele tolle Stücke für mich zu entdecken.
Das Gespräch für BR-KLASSIK führte Bernhard Neuhoff.
Das Konzert am 12. Februar 2017 im Münchner Prinzregententheater zusammen mit der Hofkapelle München unter der Leitung von Rüdiger Lotter beginnt um 19.30 Uhr. Auf dem Programm: Ausgewählte Arien und Orchesterwerke von Händel, Porpora, Lully u.a. Nähere Informationen finden Sie auf den Online-Seiten des Prinzregententheaters.