Christian Thielemann äußert sich im Interview mit BR-KLASSIK erstmals zur aktuellen Diskussion über seine neue Aufgabe als Musikdirektor der Bayreuther Festspiele, über das angebliche "Hügelverbot" für Eva Wagner-Pasquier und die Nachfolge-Entscheidung der Berliner Philharmoniker. Hier können Sie das komplette Interview nachlesen, das Annika Täuschel mit dem Dirigenten geführt hat.
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Interview
Christian Thielemann zu Bayreuth und Berlin
BR-KLASSIK: Christian Thielemann, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Aufgabe und Funktion!
Thielemann: Herzlichen Dank!
BR-KLASSIK: Musikdirektor in Bayreuth – Sie sind der Erste, der hier eine Leitungsfunktion innehat und nicht blutsverwandt ist mit Richard Wagner. Ist das das Ende einer langen Ära oder (endlich) Normalität auch in Bayreuth?
Thielemann: Wir sind auf die Idee eigentlich gemeinsam gekommen, es war gar nicht meine Idee, dass ich das unbedingt werden wollte oder so. Aber wir haben uns gedacht, es wäre schön, wenn auch Erfahrungen weitergegeben würden. Es geht jetzt nicht um einen Orchester- oder Choraufpasser oder gar um einen Musikdirektor, der keine anderen Dirigenten ranlässt, was ja die große Befürchtung dann immer ist. Wenn ein Dirigent selbst so etwas übernimmt, könnte man auf die Idee kommen zu sagen, dann wird er selber sehen, dass er keine Konkurrenz mehr hat. Das ist völlig falsch. Das Wichtigste ist, dass auch hervorragende Kollegen kommen.
Aber es geht zum Beispiel darum, dass wir Sängern (und wir haben etliches vor in der Zukunft) Erfahrungen weitergeben, wie das hier akustisch so funktioniert. Auch wenn man einen jüngeren Dirigenten hat, dem zu sagen, worauf man hier alles achten muss: In einem offenen Graben ist das so, und hier ist das anders. So eine Position ist dazu da, um das Handwerk ein bisschen zu vermitteln. Und um es zu konzentrieren in einer Person. Das heißt ja nicht, dass ich mich in die anderen Produktionen einmische, aber man wird gefragt und ich habe jetzt hier schon etliche Aufführungen dirigiert, und wissen Sie: Bayreuth ist mir einfach ein Herzensanliegen geworden.
BR-KLASSIK: Ich nehme an, da wir noch nicht den 25. Juli haben, dürfen Sie noch nichts Konkretes sagen. Sie waren bisher schon musikalischer Berater der Festspielleitung. Da fragt sich natürlich jeder: Welche Kompetenzen kommen dazu?
Thielemann: Als Berater werden Sie nur partiell beratend tätig, da fragt jemand Sie zu diesem oder jenem Stück. Als Musikdirektor sind Sie bei allen Stücken dabei. Generell mit der gesamten musikalischen Seite des Hauses befasst, als Berater beraten Sie nur, wenn Sie gefragt werden. Das eine ist das kleinere, das andere das etwas größere Tortenstück. Weitere Geheimnisse gibt's nicht.
BR-KLASSIK: Es gehört in Bayreuth ein bisschen dazu, dass im Vorfeld der Eröffnung einiges in der Presse aufgewirbelt wird oder sich aufwirbelt und dann die Runde macht. Dieses Jahr waren die Namen Westbroeck, Kampe und Herlitzius, die …
Thielemann: ... Renner oder Bringer, oder die Bringerinnen ...
BR-KLASSIK: Evelyn Herlitzius ist jetzt die Isolde in der Neuproduktion von "Tristan und Isolde". Wie problematisch ist so etwas in dieser kurzen Zeit? Oder wie normal ist es dann doch auch für einen Profi-Theaterbetrieb? Wieviel Wirbel bringt das Ganze mit sich?
Thielemann: Es ist natürlich das Natürlichste von der Welt, dass es Umbesetzungen gibt. Man muss auch manchmal der Presse sagen: Es gibt auch eine persönliche Würde von Menschen, von uns allen. Es gibt Dinge, die man einfach im Einvernehmen regelt. Dafür gibt es viele Gründe. Und da muss man darum bitten, dass manche Dinge mal nicht behandelt werden. Man hat ja eine Erklärung abgegeben: Man hat sich im Einvernehmen getrennt. Sowohl Katharina Wagner als auch der Dirigent Thielemann sind und waren mit Frau Kampe sehr zufrieden.
Es ist ein ungewöhnlich ruhiges Jahr. Es war letztes Jahr aufregender als dieses Jahr, rein was hier im Hause ist. Die Umbesetzungen beim 'Ring' fügen sich wunderbar ein. Die sind schwer am Probieren und sind alle ganz allerliebst. Umbesetzung Holländer-Dirigent läuft blendend. Der Herr Altinoglu macht seine Sache ganz wunderbar, findet sich sofort hier zu Recht beim 'Lohengrin'. Wir probieren sehr harmonisch 'Tristan'. Ja mein Gott, dann ist halt mal eine Umbesetzung.
BR-KLASSIK: Das leuchtet ein, auf der anderen Seite wäre ja anzustreben, da es jedes Jahr diese leichten Unruhen im Vorfeld gibt: Gäbe es etwas von Seiten der Festspielleitung, das man in der Kommunikationsstrategie verändern könnte, um noch mehr und früher Ruhe und Frieden nach außen zu bringen?
Thielemann: Nein, der Friede ist ja im Haus da. Ein Insider, der Ihnen die Wahrheit berichten würde, würde wahrscheinlich sagen, hier ist Business as usual. Sie können so etwas nicht anders kommunizieren, Sie können nur sagen, man hat sich in beiderseitigem Einvernehmen getrennt.
Anders wäre es natürlich, wenn ein aufsehenerregendes Interview einer Sängerin da wäre, die sagen würde, wie schlecht man sie da behandelt hat… Da hätten Sie recht, so etwas würde man gar nicht kommunizieren, weil das extrem undiplomatisch ist.
BR-KLASSIK: Dann nutze ich jetzt diese Gelegenheit, denn wer ja was gesagt hat, war Kirill Petrenko. Das fällt umso mehr auf, weil er ja sonst nie etwas sagt. Von außen betrachtet würde ich sagen: Es sind zwei der weltweit besten Dirigenten in diesem Sommer in Bayreuth. Mit Thielemann und Petrenko ist man als Hörer am Gipfel dessen, was man sich wünschen kann. Ist nicht eigentlich alles gut?
Thielemann: Wissen Sie, auch die Meldung hat mich persönlich getroffen wie ein Keulenschlag aus dem Feuilleton. Natürlich sagt man dazu nichts. Dass sich dann noch andere zu Wort melden, das müssen Sie die fragen. Ich kann ja nicht für einen Kollegen sprechen, der dazu etwas gesagt hat. Wir haben gleich gesagt: Das ist nicht so, was gemeldet wurde, woher das auch immer kommt. Ein Anwalt hat das gesagt, der wird wissen, warum er das tut. Wir wissen es nicht. Ich habe von so etwas nie gehört gehabt, und dann werden Namen genannt. Ist es einmal in der Welt, dann heißt es: Ja wo Rauch ist, ist auch Feuer. Das ist klar, da war was.
Nach meinem Sinn war da nicht das, was da vermutet wurde. Es war überhaupt nichts in dieser Richtung. Ich kann mich an keinerlei Gespräch dieser Art erinnern, es sei denn, es ist offenbar an mir vorbei gegangen. So was ist extrem unangenehm, auch für das Innenverhältnis der Leute miteinander. Es ist ganz komisch, wenn solche Sachen gemeldet werden und man dann denkt, na, irgendwas muss doch da dran sein. Das kann doch nicht wahr sein, so etwas sagt doch keiner. Aber Sie sehen ja, die Sache ist ziemlich ins Leere gelaufen, weil man hinterher keine Informationen zu fassen bekommen hat. Es sind keine Beweise aufgetaucht. Es gibt weder einen Krach zwischen Sängerinnen und Sängern noch zwischen Dirigenten. Wir sitzen gemeinsam in der Kantine. Wenn Sie das abfilmen würden mit Ihrem Kameramann, dann würden Sie sagen, irgendwie bin ich im falschen Film: Entweder die spielen da alle eine Komödie und sind alle lieb zueinander… Aber was machen wir, wenn das wirklich so ist? Wenn die wirklich lieb miteinander sind?
BR-KLASSIK: Das wollen wir hoffen …! Herr Thielemann, hier in Bayreuth ist alles gut, ich muss natürlich mit Ihnen über Berlin und die Berliner Philharmoniker reden ...
Thielemann: ... das können Sie gerne tun ...
BR-KLASSIK: Ich denke mir, eine Entscheidung von dieser Tragweite kann nur schwierig sein, das haben wir schon allein daran gesehen, dass es einen zweiten Wahltag gab und all diese Dinge… Wie geht es Ihnen im Moment damit?
Thielemann: Mir ging es nie schlecht. Ich sage Ihnen: Die Chemie muss stimmen. Ich würde immer, das haben wir auch in Dresden damals so gemacht, auf einem Stimmungsbild bestehen. Wenn sich ein Orchester für jemanden entscheidet, dann ist das a priori richtig. Und eine Mehrheit ist eine Mehrheit.
Das ändert an meinen besten Beziehungen zu den Berliner Philharmonikern gar nichts. Ich bin ja sehr oft in Berlin, gehe im Jahr zweimal hin zu diesem wunderbaren Orchester, ich fühle mich da wohl, ich war mit dem Orchester schon in vielen wunderbaren Momenten zusammen. Es gibt überhaupt gar keine Gefühle, die in eine negative Richtung gehen. Sondern ich freue mich, wenn ein Orchester jemanden findet, wo eine Mehrheit dahinter steckt. Das ist ja in meinem Falle genauso: Man will selber mit einer Mehrheit gewählt werden, und jeder muss eine Mehrheit haben bei solchen Entscheidungen, denn das Musizieren ist ja nonverbal. Und wenn man sich dann doch letzten Endes nicht in einer Mehrheit miteinander versteht, dann soll man es auch nicht tun.