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Jahrestag - 20 Jahre 9/11 Wenn Musik das Unfassbare ausdrückt

Die Anschläge vom 11. September jähren sich zum 20. Mal. Überall auf der Welt finden Gedenkveranstaltungen statt. Samuel Barbers "Adagio for Strings" erklingt dabei besonders häufig. BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff über ein besonderes Stück, das es schafft, ein kollektives Gefühl in Töne zu fassen.

Bildquelle: ©picture-alliance/dpa/Hubert Boesl

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Manchmal trifft ein Musikstück ein kollektives Gefühl mitten ins Herz. Jeder, der den 11. September 2001 bewusst miterlebt hat, erinnert sich noch an die Situation, in der er von den Ereignissen erfuhr.

Ich weiß noch genau, wie ich ungläubig in der Münchner U-Bahn stand und auf einem Bildschirm diese völlig surrealen, entsetzlichen Bilder sah. Verarbeiten kann man die Bilder letztlich nicht, sie sprengen unsere Vorstellungskraft. Natürlich hatte man sich mehr oder weniger rasch in irgendeiner Weise an sie gewöhnt, zumindest jedenfalls daran, dass man sich nicht daran gewöhnen kann. In den Medien wurde kaum noch über etwas anderes geredet. Kein Wunder, man konnte ja auch kaum an etwas anderes denken. Und gerade in so einer Situation, in der unendlich viel über etwas gesprochen wird, ohne dass man es auch nur annähernd wirklich begreift, gerade dann wird Musik unersetzlich.

Barbers "Adagio for Strings"

Bernhard Neuhoff, Leiter Programmredaktion BR-KLASSIK | Bildquelle: BR/ Undine Fraatz BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff stand gerade in der Münchner U-Bahn, als er von den Terroranschlägen des 11. September 2001 erfuhr. | Bildquelle: BR/ Undine Fraatz In diesem Moment war es Samuel Barbers "Adagio for Strings", das die kollektiven Gefühle zum Ausdruck brachte. Schon am 13. September um 10:00 Uhr sendeten zahlreiche Radiostationen in Europa das Stück, auch solche, die sonst keine Klassik spielen. Am 15. September, vier Tage nach den Anschlägen, sollte in London die traditionsreiche "Last Night of the Proms" stattfinden. Damals war der US-Amerikaner Leonard Slatkin Chefdirigent des BBC Symphony Orchestra. Slatkin verzichtete auf den liebenswert skurrilen Karneval, den die Briten in der "Last Night of the Proms" sonst so hingebungsvoll zelebrieren. Stattdessen setzte er Barbers "Adagio for Strings" aufs Programm. Bei den Schlussakkorden liefen ihm die Tränen übers Gesicht. In seinem Dirigentenzimmer, so erzählte er später, sei er zusammengebrochen, so sehr habe das Gefühl ihn überwältigt.

Auch am ersten Jahrestag des 11. September, als in der Gedächtnisfeier in New York die Namen der Toten verlesen wurden, erklangen diese soghaften Streicherlinien, die sich in wellenhaften Steigerungen in immer entrücktere Höhen schrauben. Samuel Barber konnte das natürlich nicht ahnen, als er diese Musik 1936 während eines Aufenthalts am österreichischen Wolfgangsee als langsamen Satz eines Streichquartetts komponierte. Zwei Jahre später bearbeitete er den Satz für Streichorchester – in dieser Fassung ging er um die Welt. Schon bei der Beerdigung von Präsident Franklin D. Roosewelt 1945 wurde das "Adagio for Strings" gespielt. Ebenso bei der von John F. Kennedy, Grace Kelly und Albert Einstein.

Dass das Stück ein Bestandteil der amerikanischen Popkultur wurde, freute Barber nicht uneingeschränkt. Schließlich hatte er noch so viele andere Werke geschrieben, die gegen sein "Adagio" nie so recht eine Chance hatten. Im September 2001 wäre er aber vermutlich doch ergriffen gewesen: Denn durch seine Musik wurden die übergroßen Gefühle zumindest für die Dauer von einigen Minuten wenigstens annähernd sagbar. Was kann Musik schöneres leisten?

Barbers "Adagio for Strings" auf BR-KLASSIK

Samuel Barbers "Adagio for Strings" sendet BR-KLASIK am 11. September zwei Mal: In der "Piazza" ab 8:05 Uhr und der Live-Übertragung der "Last Night of the Proms" ab 20:04 Uhr.

Sendung: "Allegro" am 10. September 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Freitag, 10.September, 20:50 Uhr

Beate Schwärzler

"Adagio for Strings" von Samuel Barber / und 9/11

Sehr geehrter Herr Bernhard Neuhoff,
heute Morgen verlor die "Zugabe" gegen mein geliebtes "Qui Gong".
Und nun erfahre ich, wofür ich vor 20 Jahren kein Gehör hatte.
(Den Kopf voller Chemie.)
Nein, ich erinnere mich a u c h gut, wie und wo ich es erfuhr am 11.9.2001.
Aber diese Musik... tut mir leid, da muß ich passen. D i e habe ich d a m a l s nicht gehört.

So freue ich mich auf morgen. Auf den Abend vor allem. Auf die "Last night..."
Herzliche Grüße von Ihrer Hörerin
Beate Schwärzler

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