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Lang Langs "Piano Book" Zwischen Genie und Kommerz

Ganze drei Jahre hat Lang Lang auf dem Schallplattenmarkt nichts von sich hören lassen. Der Grund: Er musste wegen einer Sehnenscheidenentzündung eine 18-monatige Zwangspause einlegen. Erst seit knapp einem Jahr gibt er wieder Konzerte. Mit "Piano Book" meldet sich Lang Lang nun auch als Schallplattenkünstler zurück. Aufgenommen hat er das Album kurz nach seinem Bühnen-Comeback. Das Programm ist für den Pianisten, der ja vor allem als Übervirtuose bekannt ist, ziemlich ungewöhnlich: Kinderstücke.

Bildquelle: Deutsche Grammophon

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Auch in der Musik gilt: Erfolg ist nicht nur Segen, sondern auch Fluch. So manchem Stück hat er jedenfalls mehr geschadet als genützt. Von Klingelton-Karrieren wollen wir gar nicht reden. In der Regel reicht es, wenn so ein Stück millionenfach in die Tasten gezimmert wird, aus Wohnzimmern schallt und durch Schulflure hallt – und schon löst die schönste Melodie eher Fluchtreflexe aus. Höchste Zeit also für einen pianistischen Ehrenretter, der zeigt, dass in den Noten mehr steckt als ein nur Hindernis-Parcour für musikalische Anfänger. Sein Name ist Lang Lang.

Zurück zu den Anfängen

Eine ganze Reihe von Klavierminiaturen hat sich der Starpianist auf seinem neuen Album vorgenommen: Beethovens "Für Elise", Bachs Präludium Nr. 1 aus dem "Wohltemperierten Klavier", Mozarts "Sonata facile" – kurz: Stücke, die jedem halbwegs ambitionierten Klavierschüler ein Begriff sind. Auch beim Klavierschüler Lang Lang war das so. "Back to the Roots" – so könnte das Motto dieser Einspielung also auch lauten. Zurück zu den Anfängen. Aber nicht zu Anfängerstücken. Im Gegenteil: Lang Lang will zeigen, dass in seinen – wie er im Booklet schreibt – "Lieblingsstücken" echte Meisterwerke stecken. Das ist zweifelsohne ein nobler Plan. Fragt sich bloß, ob dieser auch aufgeht, wenn Beethoven, Bach und Debussy direkt auf Filmmusikgedudel treffen. Eine Strategie, die Niveauunterschiede eher einebnet, als dass sie das Bewusstsein dafür schärfen würde. Wilde Rubati und Hauruck-Crescendi machen aus dem Soundtrack zur "Fabelhaften Welt der Amelié" jedenfalls noch kein spätromantisches Meisterwerk. Auch wenn Lang Lang versucht, diesen Anschein zu erwecken.

Nostalgische Gefühle und kommerzielle Interessen

Tatsächlich kommt beim Blick auf die Trackliste des Albums der hartnäckige Verdacht auf, dass hier nicht nur nostalgische Gefühle, sondern auch kommerzielle Interessen ein Wörtchen mitzureden hatten. Kaum ein Klassikschlager, den Lang Lang auslässt. Von Schumanns "Wildem Reiter" bis zu Debussys "Claire de Lune". Dazu ein bisschen Filmmusik, und ein paar Volksweisen. Neoklassik à la Max Richter nicht zu vergessen. Aber vielleicht findet der ein oder andere neue Hörer dadurch ja einen Weg zur klassischen Musik. Also geschenkt. Interessanter als das Programm ist ja, was Lang Lang daraus macht. Und hier ist der Eindruck durchaus zwiespältig.

Der Flügel als Orgel

Einerseits verfügt Lang Lang über eine wirklich fantastische Klangfantasie. Kann Melodien wie aus dem Nichts, aus dem zartesten Pianissimo heraus entstehen lassen. Lässt den Flügel mal gläsern, durchsichtig klingen – intim, so als säße man direkt neben dem Instrument. Kann aber auch die Klänge ineinander rauschen lassen, als wäre der Flügel eine Orgel. Und als säße man als Hörer in einer Kathedrale.

Ein Schwan tanzt Ragtime

Nervig ist allerdings sein Hang zum Kitsch: viel Pedal, viel Rubato. Frei nach der Devise: kein Schlager ohne Schlagsahne. So verliert selbst ein Ragtime von Scott Joplin jede Saloon-Coolness. Und klingt eher so, als würde ein alkoholisierter Schwan durch die Prärie torkeln.

Fazit: Zum Eingrooven in den Klangkosmos der klassischen Klaviermusik ist das Album durchaus geeignet. Als Referenzaufnahme taugt sie eher nicht.

Lang Lang – "Piano Book"

Werke von Beethoven, Schumann, Schubert, Grieg, Debussy, Mozart, Chopin u.a.

Lang Lang (Klavier)

Label: Deutsche Grammophon

Sendung: "Leporello" am 03. April 2019, 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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