Musik trifft auf Architektur und Pianistin Alice Sara Ott kombiniert auf ihrem neuen Album "Echoes Of Life" die 24 Préludes op. 28 von Chopin mit Werken von Arvo Pärt, Nino Rota und Toru Takemitsu. Gleichzeitig ist ein Bühnenkonzept entstanden, bei dem Musik und Architektur mittels Videoinstallation verbunden werden. Alles zusammen stellt eine Art momentane und sehr persönliche Lebensreflexion dar, über die die Künstlerin mit BR-KLASSIK gesprochen hat.
Bildquelle: Pascal Albandopulos
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Interview mit der Pianistin Alice Sara Ott
BR-KLASSIK: Alice Sara Ott, "Echoes Of Life" heißt Ihr neues Album. Das klingt wie eine Rückschau, ein Rückblick auf Ihre Karriere. Warum machen Sie das zum jetzigen Zeitpunkt?
Alice Sara Ott: So klingt es ein bisschen wie ein My-way-Projekt. Das ist es nicht. Es ist einfach eine Reflexion auf Erlebnisse und Erfahrungen, die mich bisher geprägt haben. Es kommt ein bisschen daher, weil ich die Préludes von Frédéric Chopin, die im Mittelpunkt dieses Albums stehen, als eine Art Lebensreflexion sehe. Weil sie aus ganz vielen kleinen, individuellen Préludes bestehen. Und ich glaube, das Leben besteht auch aus so vielen kleinen Momenten, die durch uns und unsere Erfahrungen miteinander verbunden sind. Auf diesem Lebensweg erlebt man ja immer wieder Sachen, mit denen man überhaupt nicht rechnet. Die einen eventuell auch aus der Bahn bringen. Und es ist jetzt für diesen Zeitpunkt nur eine Art Reflexion. Wahrscheinlich auch durch die Pandemie hervorgerufen. Deswegen heißt es "Echoes Of Life". Es ist aber auch etwas, das sich weiterentwickelt und was sich verändern wird. Die Erinnerung, die wir in uns tragen, verändert sich mit der Zeit ja auch immer weiter.
In den Préludes von Frédéric Chopin sehe ich eine Art Lebensreflexion.
BR-KLASSIK: Sie kombinieren den Chopin, die 24 Préludes op. 28 mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Da ist Musik von Arvo Pärt dabei, Nino Rota und Toru Takemitsu. Auch Sie selbst haben ein Stück beigesteuert. „Echoes Of Life“, ist dann Chopin praktisch das Leben, wie Sie’s angedeutet haben, und sind die anderen die Echos?
Alice Sara Ott: So habe ich noch nie darüber nachgedacht. Nein, diese zeitgenössischen Werke, die assoziiere ich mit spezifischen Erlebnissen oder Momenten aus meinem Leben. Es gibt doch so Momente, wo man etwas länger auf etwas zurückblickt oder reflektiert.
BR-KLASSIK: Haben Sie da ein Beispiel?
Alice Sara Ott: Ja. Nehmen wir mal Nino Rota. Das erinnert mich an meine Teenagerzeit, hat auch ein bisschen einen nostalgischen Charakter. Das Lustige an dem Stück ist, es klingt fast wie Chopin. Am Anfang als ich zum ersten Mal dieses Stück hörte, dachte ich, das ist eigentlich Chopins Musik. Und dann habe ich herausgefunden, dass es Nino Rota ist. Und Nino Rota kenne ich natürlich seit meiner Teenagerzeit, weil ich mit den Filmen von Visconti und Fellini aufgewachsen bin und seine Musik rauf und runter gehört hab. Und das erinnert mich ein wenig an die Zeit, als man noch die rosarote Brille trägt und alles romantisiert und in seiner eigenen Bubble lebt.
Das sind so kleine Assoziationen und Anekdoten, ich habe die quasi in den Zusammenhang mit den Préludes gesetzt und wollte damit zeigen, dass Musik eigentlich zeitlos ist und fließend ist, und dass ihre Wahrnehmung ein bisschen davon abhängt, in welchem Kontext sie steht.
BR-KLASSIK: Das neue Album ist ein Album mit Bühnenkonzept, mit einer Videoinstallation. Was sehen wir da?
Alice Sara Ott: Ich habe diesmal mit einem Architekten zusammengearbeitet. Das war schon immer ein Traum von mir, die Welt der Architektur mit der Welt der Musik zu kombinieren. Und er hat quasi eine 3D-architektonische Reflexion der Musik gestaltet, die dann in Form einer Videoinstallation während des ganzen Konzertes gezeigt wird, also es begleitet die Musik. Die ersten Konzerte sind im November und ich freue mich schon sehr darauf.
Es ist sehr wichtig, dass wir auf die Bedürfnisse unseres Geistes und unseres Körpers hören.
BR-KLASSIK: Sie sagen von sich, „ich bin heute eine andere Künstlerin als früher“. Sind Sie das vielleicht nicht nur, weil Sie sich selber anders sehen, sondern weil Sie auch andere Sachen bedenken müssen? Sie haben vor zwei Jahren offen bekanntgegeben, dass Sie an Multipler Sklerose erkrankt sind. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Arbeit?
Alice Sara Ott: Ich kann wirklich von Glück reden und sagen, dass ich momentan komplett symptomfrei bin, seit zweieinhalb Jahren bin ich schubfrei. Ich bin in keiner Art und Weise eingeschränkt. Das, was ich damals daraus gelernt hab, ist: heutzutage erleben wir so eine Geschwindigkeit und einen solchen Druck in unserer Gesellschaft. Ich glaube, jeder kennt die Situation wo er Signale seines eigenen Körpers ignoriert und denkt, man ist irgendwie unbesiegbar. Und man neigt einfach dazu, auch mit Fieber oder mit einer Erkältung über seine Grenzen hinauszugehen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir auf die Bedürfnisse unseres Geistes und unseres Körpers hören. Und das ist definitiv etwas, das ich gelernt habe. Ich bin viel empfindlicher geworden für die Signale meines Körpers. Aber ansonsten bin ich in keiner Art und Weise eingeschränkt. Und das verdanke ich natürlich auch dem Fortschritt der Medizin.
Das Gespräch führte Michael Atzinger für BR-KLASSIK.
Sendung: "Allegro" am 26. August 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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