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Anja Harteros und ihre Opernleidenschaft "Man muss Vertrauen haben"

Sie hat ein unvergleichliches Timbre, eine herzbewegende Ausdruckstiefe und kann wunderschöne Legato-Bögen singen: Längst ist Anja Harteros zum Liebling des Münchner Opernpublikums geworden. Doch was muss zusammenkommen, damit eine Aufführung gelingt? Und wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Dirigenten und Sängerkollegen? BR-KLASSIK feiert die Oper und hat nachgefragt.

Sopranistin Anja Harteros | Bildquelle: ©  Marco Borggreve

Bildquelle: © Marco Borggreve

BR-KLASSIK: Frau Harteros, wie abhängig ist man als Sängerin vom Dirigenten oder einer Dirigentin?

Anja Harteros: Das ist eine nicht leichte Frage. Natürlich ist man total abhängig davon, weil im Orchester, das sind ja oftmals hundert Musiker. Und als Sänger ist man alleine (lacht). Und alleine gegen hundert – das wird man niemals schaffen. Andererseits sind wir die Solisten, wir stehen oben auf der Bühne, und da ist das Orchester vielleicht ein bisschen benachteiligt. Diese Zusammenarbeit mit dem Dirigenten ist wahnsinnig wichtig, weil der Dirigent letztlich mit dem Orchesterklang das Innenleben der Figur malt, die da auf der Bühne steht. Und da ist man natürlich auch abhängig, denn wenn der Dirigent sich eine andere Form der Figur vorstellt und wenn das auseinandergeht, dann kann man natürlich auch was Falsches machen.

BR-KLASSIK: Und was ist, wenn die Chemie mit den Kolleginnen und Kollegen nicht stimmt?

Szenenbild aus "Otello" von Verdi mit Jonas Kaufmann in der Hauptrolle und Anja Harteros an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: © W. Hösl Bildquelle: © W. Hösl Anja Harteros: Das kann auch schwierig sein, wenn man mehr gegeneinander spielt als miteinander. Aber letztlich ist das auch wieder relativ. Ich denke mir das immer: Wir sind einfach die Solisten, und solo heißt eben auch einfach: alleine. Man muss in sich ruhen und alleine die Figur kreieren können, egal, ob das Bühnenbild zusammenbricht, die Tuba falsch einsetzt oder die Chemie mit dem Tenor nicht stimmt. Das ist im Grunde egal, weil meine Rolle ist meine Rolle und die habe ich darzustellen und zu fühlen. Ich habe festgestellt, wenn ich das ehrlich und gewissenhaft mache, dann stimmt eigentlich die Chemie mit den Kollegen fast immer.

BR-KLASSIK: Was ich gesagt habe, trifft auf Jonas Kaufmann ganz sicher nicht zu, …

Anja Harteros: Genau (lacht),

BR-KLASSIK: … der den Otello singt in der aktuellen Produktion und viele andere Rollen an Ihrer Seite gesungen hat. Man kennt sich auch einfach gut.

Anja Harteros: Ja, wir kennen uns gut auf der Bühne, und es war schon immer so, dass wir wenig Worte brauchten, um uns zu verstehen. Eigentlich kommt das immer aus der Spontaneität raus. Jeder lässt den anderen machen, und wir irgendwie finden wir uns. Und das ist toll.

BR-KLASSIK: Was muss eigentlich zusammenkommen, damit eine Opernaufführung gelingt?

Hanna-Elisabeth Müller und Anja Harteros in Strauss' "Arabella" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl Bildquelle: Wilfried Hösl Anja Harteros: Wir hatten ja jetzt "Arabella". In der zweiten Vorstellung ist nichts gelungen. Wir fühlten uns alle komisch und keiner wusste, woran es liegt. Das war ganz sonderbar. Ich glaube, das war eine Konstellation der Sterne, keine Ahnung, ich kann Ihnen keinen Grund nennen. Von daher kann ich Ihnen auch nicht die Gründe nennen, warum eine Aufführung dann manchmal besonders gut gelingt. Man muss sich toll vorbereiten, man muss sich gut fühlen. Dann muss man sich richtig fallenlassen können - und dann muss auch ein bisschen Glück dabei sein und die richtigen Sterne oder so. (lacht) Man hat das nicht immer in der Hand.

BR-KLASSIK: Man muss in dem Job auch ein bisschen furchtlos sein, oder?

Anja Harteros: Man muss Vertrauen haben. Ich kann nicht sagen, dass ich furchtlos bin, weil ich im Grunde eher ein ängstlicher Typ bin. Aber man muss etwas wagen. Ich bin jetzt seit über zwanzig Jahren dabei. Seit über zwanzig Jahren bekomme ich Applaus, also die direkte Bestätigung, und das stärkt einen dann auch. Ich will das jetzt nicht überbewerten: Es stärken einen auch die Erfahrungen, die man macht. Dass manchmal die Dinge klappen, obwohl man nicht daran geglaubt hat. Aber das Vertrauen ist eine ganz wichtige Sache.

BR-KLASSIK: Und wenn es mal nicht so gut geht, wenn Sie vielleicht mal nahe am Scheitern sind: Wie gehen Sie damit um? Wie verarbeitet man so einen Abend?

Anja Harteros: Das kann schon manchmal schwierig sein. Ich kann am besten verkraften, wenn ich mich über mich ärgern kann; (lacht) wenn ich mich ärgern und sagen kann, das mache ich beim nächsten Mal besser. Dann kann ich aktiv sein. Wenn Dinge passieren, wenn zum Beispiel die Stimme Sachen macht, wo man denkt, oh, was ist das, wie kommt das? - etwas, das man nicht analysieren kann, das ist dann schwieriger. Da verliert man dann auch wieder das Vertrauen.

Das Gespräch führte Fridemann Leipold für BR-KLASSIK.

Sendung: "Allegro" am 07. Februar 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Anja Harteros ist zu Gast in "KlassikPlus" am 07. Februar 2019 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK, unter dem Motto: "Opernfiguren zum Leben erwecken".

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