Über 120 Jahre ist Puccinis Oper alt. So lange musste sie auf ihre erste Aufführung in Moskau warten. Diese wartet allerdings gleich mit Starbesetzung auf: Anna Netrebko singt neben ihrem Ehemann Yusif Eyvazov am Bolschoi-Theater. Es herschte allgemein große Begeisterung bei Künstlern und Publikum!
Bildquelle: picture alliance / AP Images
Anna Netrebko kommt in einem weißen Kleid mit weit ausstehendem Rock auf die Bühne - mit Zöpfen unter der weißen Pudelmütze und einer Puppe im Arm. Der junge Graf des Grieux verliebt sich sofort in sie. Allerdings muss er hören, dass ihr Bruder und dessen Steuerpächter sie am nächsten Tag ins Kloster bringen werden: zur Erziehung als höhere Tochter.
Aber auch der gesetzte Steuerpächter hat ein Auge auf Manon geworfen. Und des Grieux beginnt, um sie zu kämpfen. Ihn verkörpert Yusif Eyvazov, der Ehemann von Anna Netrebko. Die beiden haben sich in Rom kennengelernt, als sie das erste Mal in der Puccini-Oper sangen. Seither sind die beiden nicht nur in "Manon Lescaut" ein Paar.
Anna Netrebko und Yusef Eivazov | Bildquelle: picture alliance / AP Images Neben der starken und leidenschaftlichen Netrebko wirkt Yusif Eyvazov doch eher blass. Der Auftritt der beiden wurde schon seit vergangenem Jahr in Moskau vorbereitet. Die Operndiva wollte unbedingt am größten Opernhaus ihres Heimatlandes singen, sagte sie damals. Puccinis "Manon Lescaut" sollte es sein, eine ihrer Lieblingsopern in einer neuen Produktion am Bolschoi-Theater. Die Zusammenarbeit während dieser Vorbereitung sei fantastisch gewesen, so die Sängerin.
"Für mich ist es eine große Ehre, im Bolschoi aufzutreten. Ein weltberühmtes Theater. Ich habe hier noch nie auf dieser Bühne gestanden. Ich bin so begeistert und voller Vorfreude", sagt Netrebko. Alle sind voll des Lobes füreinander, wie auch Marat Gali: Im zweiten Akt agiert er als Manons Tanzlehrer mit schwarzem Tütü und Ballett-Schläppchen - mitten unter herumkullernden weißen und schwarzen Perlen in Übergröße. Auch Gali bereitet es "ein unglaubliches Pläsier, Anna Netrebko als Partnerin zu haben. Sie können sich nicht vorstellen, wie einfach es mit ihr ist, wie sie sich bewegen kann. Sie reagiert sofort auf alles, und für mich ist eine große Freude, mit solch einer großen Künstlerin auf einer Bühne zu stehen."
Für das Bühnenbild der 1893 in Turin uraufgeführten Oper hat sich das Moskauer Bolschoi-Theater richtig ins Zeug gelegt. "Manon Lescaut" wird 2016 zum ersten Mal hier gespielt: Schwarz-weiß, mit ein paar intensiven Farbtupfern und mit viel Raffinesse. Statt einer Kutsche gibt es einen Heißluftballon, und Manons Leben mit dem Steuerpächter wird durch eine riesige Puppe mit Kulleraugen und Perlenkette untermalt, sie sitzt neben einem Spiegel auf der Bühne.
Die Bühne ist groß und offen. Man muss doppelt so laut singen und sich mehr Mühe geben.
Manons lebloses Dasein in Reichtum verdeutlichen schließlich Ameisen und Spinnen, die Tänzer an die Puppe heften. Alles ganz ohne Romantik und Rokoko - das ist ziemlich ungewohnt auf dieser großen Bühne für Anna Netrebko und ihren Ehemann: "Als wir auf die Bühne kamen, spürten wir diese fast wie ein großes Orchester. Wir hätten beinahe unsere Stimmen verloren, so geschockt waren wir. Denn die Bühne ist ja groß und offen und da kommt der Ton nicht mehr zurück. Man muss doppelt so laut singen und sich mehr Mühe geben."
Das Bolschoi-Theater in Moskau | Bildquelle: picture-alliance/dpa Vielleicht ist gerade deswegen die Aufführung in Moskau ein Erlebnis. Die Karten für die drei Vorstellungen mit Anna Netrebko waren sofort ausverkauft, 120 Euro kosten allein die billigen Plätze umgerechnet. Wer Tickets wollte - überwiegend Moskauer Elite - wusste, dass die Operndiva kommt. Es gab keine Plakate mit Netrebkos Namen, auch keine sonstige Werbung. Das ist allerdings in Moskau nicht ungewöhnlich.
Zweimal wird Anna Netrebko noch die Manon auf der Bühne des Bolschoi singen - und zweimal auf ihr sterben. Denn dass sich Manon nicht zwischen Liebe und Luxus, also zwischen ihren beiden Männern entscheiden kann, muss sie mit dem Leben bezahlen.