Die Geigerin Anne-Sophie Mutter und den Filmkomponisten John Williams verbindet mittlerweile eine enge Beziehung: Er hat für sie ein Violinkonzert geschrieben, sie standen zusammen auf der Bühne und haben ein Album zusammen aufgenommen. Im BR-KLASSIK Interview verrät sie, warum sie als erstes im Schwarzwald auf John Williams aufmerksam wurde und warum sich ein Konzert mit ihm wie ein Staatsbesuch anfühlt.
Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2022
Anne-Sophie Mutter über John Williams
Das Genie mit dem spitzbübischen Lächeln
BR-KLASSIK: Was ist Ihre erste Erinnerung an John Williams?
Anne-Sophie Mutter: Meine erste Begegnung mit John Williams – genaugenommen: mit seiner Musik – fand in einem Kino im Schwarzwald statt, als Star Wars anlief, 1978 war das. Ich erinnere mich an die Bilder. Aber noch viel stärker erinnere ich mich an die Leitmotive in Star Wars und an diese kompakte Durchleuchtung und Erfassung der einzelnen Personen – ob das jetzt Prinzessin Lea war, Luke oder Yoda. Also da hat jemand wirklich was erspürt und für die Zukunft geschaffen, obwohl das eigentlich eine einmalige Sache sein sollte: Star Wars war ja ursprünglich nicht als Sequel konzipiert. Wer hätte gedacht, dass das musikalische Material so dicht und so komplex ist, dass es auch 40 Jahre nach dem ersten Film noch dazu taugt, weitere Episoden mit Leben zu erfüllen.
BR-KLASSIK: Wie haben Sie den Besuch von John Williams in Wien erlebt?
Anne-Sophie Mutter: Der Besuch von John Williams in Wien war für uns Musiker schon so etwas wie ein Staatsbesuch. Williams hat sich auch viele der Originalpartituren angeschaut, die bei den Wiener Philharmonikern liegen. Von Bach, Beethoven oder Brahms zum Beispiel. Er hegt eine Riesenbewunderung für "unsere" Komponisten. Und umgekehrt ist auch bei uns der Respekt für das Schaffen von Williams unheimlich groß. Er zählt einfach zu den großen Komponisten unserer Zeit.
Es war jedenfalls eine fruchtbare Zusammenarbeit mit ihm damals. Ich weiß noch wie die Bläser ihn angefleht haben, als Zugabe den Imperial March spielen zu dürfen. Und obwohl ich nichts zu tun hatte, bin ich dann extra nochmal auf die Bühne: Weil ich wollte mir das Blech so richtig ins Hirn schießen lassen. Es war einfach die pure Freude am Musizieren. Ohne Frage – "Live in Vienna" ist einer der Highpoints.
BR-KLASSIK: Was ist Ihre schönste Erinnerung an das gemeinsame Konzert?
Anne-Sophie Mutter, John Williams und die Wiener Philharmoniker 2020 | Bildquelle: Deutsche Grammophon Anne-Sophie Mutter: Das schönste an der Zusammenarbeit mit John Williams ist es, einfach neben ihm zu stehen. Zum einen: Mit ihm auf die Bühne zu gehen – und der Saal rastet aus. Diese Freude, die ihm entgegengebracht wird, diese Emotionen, die er auslöst, in uns Film- und Filmmusikliebhabern, das ist einfach enorm. Und dann hast du den großen Meister neben dir und spielst irgendeine Passage, dieses Eulenthema aus Harry Potter zum Beispiel, und John lächelt spitzbübisch zu dir rüber und hat offensichtlich so eine wahnsinnige Freude an dem Moment, der Musik, dem Zusammenarbeiten. Das teilt sich einfach allen mit. Und genau deshalb lieben wir ihn so!
BR-KLASSIK: Wie war die Stimmung im Wiener Musikverein?
Anne-Sophie Mutter: Die Stimmung muss man nicht beschreiben… man kann sie gar nicht beschreiben. Du siehst es einfach in den Gesichtern der Musikerkollegen. Ich glaube, der Goldene Saal des Wiener Musikvereins hat, bei all den Uraufführungen, die hier stattfanden, nie derart gebebt wie in dem Moment, als John Williams auf die Bühne kam. Jede Beschreibung wäre eine Untertreibung. Muss man hören!
BR-KLASSIK: Was bedeutet Ihnen persönlich die Musik von John Williams?
Anne-Sophie Mutter: Die Musik von John Williams ist untrennbar mit meiner Vita verbunden. In der Vergangenheit mehr mit meiner persönlichen Vita, auch als Mutter, die mit ihren Kindern in Harry Potter geht. Und wenn ich das Thema nun selbst spielen darf und ich sehe meine Kinder da unten sitzen, dann kommen mir wirklich Tränen der Rührung. Das ist schon ein ganz besonderer Moment, weil das Berufliche mit dem Privaten bei mir durch John Williams so verwoben ist.
Wenn ich das Hedwig-Thema spielen darf, kommen mir Tränen der Rührung
BR-KLASSIK: Was ist das schönste Kompliment, das Ihnen John Williams gemacht hat?
Anne-Sophie Mutter: Er hat mich als seine Muse bezeichnet – ein größeres Kompliment kann man einem Musiker nicht machen. Und einem Hardcore-Fan schon gar nicht … [lacht]
BR-KLASSIK: Wenn Sie bei John Williams einen Wunsch frei hätten, welcher wäre es?
Anne-Sophie Mutter: Wenn ich einen Wunsch an John Williams frei hätte… dann wäre das ein Open Air-Konzert in Deutschland mit seinen Filmthemen. Oder am besten gleich eine Welttournee mit ihm… [lacht]
Sendung: "Allegro" am 8. Februar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK