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Antonio Pappano zu Gast beim BRSO "Für mich ist Musik Religion"

Gerade gastiert Antonio Pappano zusammen mit der Pianistin Yuja Wang beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Im BR-KLASSIK-Interview verrät der Dirigent, welche Kniffe er von Daniel Barenboim gelernt hat und was Musik für ihn mit Spiritualität zu tun hat.

BR-KLASSIK: Herr Pappano, welche Art Bildung braucht Ihrer Meinung nach ein guter Musiker?

Antonio Pappano: Natürlich spielt die Technik in der musikalischen Ausbildung eine große Rolle. Gerade weil wir Musiker*innen heute medial so exponiert sind. Jeder Fehler ist sofort für alle sichtbar. Gute Technik hat also durchaus Priorität. Aber: Für die Entwicklung eines Menschen wie auch eines Musikers sind Sensibilität und Neugier ungeheuer wichtig: die Neugier, wissen zu wollen, was der Komponist genau meinte. Was fühlen wir? Was ist der Geschichte hinter dem Werk? Was wird hier erzählt? Ich denke, nur wenn man sich immer wieder diese Fragen stellt, wird man sich als Musiker weiterentwickeln. Vielleicht auch in eine spirituelle Richtung. Für mich ist Musik nämlich Religion. Und das meine ich nicht als Scherz. Spiritualität ist meiner Meinung nach ein Muss in der Musik.

Wichtige Impulse von Daniel Barenboim

BR-KLASSIK: Sie waren zu Beginn Ihrer Karriere Assistent bei Daniel Barenboim bei den Bayreuther Festspielen, haben dann später selbst sehr erfolgreich in Bayreuth den "Lohengrin" dirigiert. Was haben Sie von Barenboim gelernt?

Antonio Pappano: Ich habe viel von Daniel Barenboim gelernt. Zum Beispiel wie man eine Partitur liest und richtig interpretiert. Wer ist der Protagonist? Wer ist der Begleiter? Die ganze Hierarchie in der Partitur muss man erst einmal verstehen lernen. Dann: Geduld in der Dynamik. Als junger Dirigent hat man natürlich viel Energie und will voranpreschen. Aber man muss auch geduldig sein. Außerdem habe ich von ihm gelernt, wie man lange Probezeiten sinnvoll füllt, um etwas zu entwickeln. Besonders bei Opern ist das sehr wichtig, wenn man ganze sechs Wochen lang probiert. Ich habe das Glück gehabt, viele Erfahrungen in der Oper sammeln zu dürfen. Und es hat schon eine Weile gedauert, bis ich meinen eigenen Weg darin gefunden habe. Also: Viele für mich wichtige Impulse kamen von Barenboim.

Ich bin immer auf der Seite der Regisseure.
Antonio Pappano

BR-KLASSIK: Sie sind ja vor allem als Operndirigent bekannt und erfolgreich geworden. Sie leiten seit 20 Jahren die Covent Garden Opera in London. Woher kommt dieser besondere Bezug zur Oper bei Ihnen?

Antonio Pappano: Mein Vater war Sänger und Gesangslehrer. Es gab also von Anfang an ein Klavier bei uns zu Hause, es gab Schallplatten von allen möglichen Tenören – mein Vater war selbst Tenor. Ich bin bei ihm und seinen Studenten 12 Jahre lang mitgelaufen. Später habe ich 15 Jahre lang als Korrepetitor an Opernhäusern überall auf der Welt gearbeitet: Bayreuth, New York, Frankfurt. Und: Ich interessiere mich wahnsinnig für das Drama im Zusammenhang mit Musik und Stimme. Für alles, was in der Oper so los ist auf die Bühne. Das hilft übrigens auch für meine sinfonischen Konzerte: Man hat nämlich immer eine Geschichte zu erzählen. Und in der Oper ist es hilfreich bei der Arbeit mit Regisseuren. Ich bin nämlich immer auf ihrer Seite. Ich weiß, wie die Regisseure denken und helfe ihnen, indem ich musikalisch bei ihren Ideen mitgehe.

Antonio Pappano ist Nachfolge von Simon Rattle in London

BR-KLASSIK: Im kommenden Jahr werden Sie Nachfolger von Simon Rattle als Leiter des London Symphony Orchestra. Werden Sie beim Covent Garden weitermachen? Sie wären dann Leiter der beiden wichtigsten musikalischen Institutionen in England.

Antonio Pappano: 2024 werde ich meinen Posten am Covent Garden abgeben. Ich werde mit Sicherheit weiterhin Opern in London dirigieren, aber ich möchte mich dann vollumfänglich auf das London Symphony Orchestra konzentrieren. Zur selben Zeit an der Oper zu bleiben wäre unfair beiden Institutionen gegenüber. Und das möchte ich nicht. So viel Ehrgeiz habe ich außerdem auch wieder nicht (lacht). Ich bin sehr glücklich, und das soll auch so bleiben.

Yuja Wang, Antonio Pappano und das BRSO live auf BR-KLASSIK

Freitag, 18. Februar 2022 ab 20:05 Uhr:
Live aus der Isarphilharmonie in München
Programm:
Antonín Dvořák: "Othello", Ouvertüre
Franz Liszt: Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur
Carl Nielsen: Symphonie Nr. 4 - "Das Unauslöschliche"