Die China-Tournee der Bamberger Symphoniker befindet sich gerade in der Halbzeitspause. Drei Konzerte haben sie unter ihrem Chefdirigenten Jakub Hrůša und mit der Geigerin Vilde Frang im Rahmen des Shanghai Arts Festival schon musiziert. Beim Auftakt gab es jedoch unerwartete Hindernisse.
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"Ich war einfach nur glücklich, dass ich es geschafft habe. Ich hatte einen richtigen Adrenalinschub", sagt Vilde Frang nach ihrem ersten Auftritt in Changsha. Beinahe hätte es die Geigerin gar nicht rechtzeitig zum Tourneeauftakt geschafft. Ein defekter Flieger, ein verpasster Anschlussflug – und schon mussten die Bamberger Symphoniker um den Auftritt der Geigerin bangen. Doch dann, in letzter Sekunde, nach 36 Stunden Reise, kam sie vom Flughafen direkt aufs Podium von Changsha – und spielte Bruchs Violinkonzert Nr. 1 so phänomenal intensiv, als wäre nichts gewesen: "Mir blieben zwar gerade einmal 15 Minuten, um mich umzuziehen und die Geige zu stimmen. Aber ich war so erleichtert, dass ich mich kein bisschen müde fühlte."
Im Konzert saßen neben uns zwei kleine Mädchen, die mitdirigiert haben. Wenn man sowas sieht, dann sagt man: Da haben wir wieder jemanden begeistert.
Bamberg Diary – Impressionen der Tournee von Andreas Herzau
Das Grand Theatre in der chinesischen Stadt Wuxi. | Bildquelle: © Thorsten Preuß Drei Tage, drei Städte, drei frisch gebaute Säle: Trotz Jetlag, langen Busfahrten, Hotels in grauen Vorstädten sind Konzertmeister Harald Strauss-Orlovsky und seine Orchesterkollegen jeden Abend auf den Punkt fit. "Wir lieben es, unterwegs zu sein, in der Fremde diese Unannehmlichkeiten und Überraschungen auf uns zu nehmen." Das gilt auch im nagelneuen Shangyin Opernhaus, gleich neben dem Konservatorium von Shanghai. Vor zehn Tagen erst hat das Ensemble der Mailänder Scala die Bühne eingeweiht, nun geben die Bamberger das erste Konzert in der Orchestermuschel, die sogar noch nach frischem Holz riecht. Dirigent Jakub Hrůša hat nur eine halbe Stunde Probe, um den Bamberger Klang in die trockene Akustik des blau blitzenden Theaters zu zaubern. "Man kann nicht wissen, was passiert, bevor das Konzert stattfindet. Und diese offene Seite ist einer der schönsten Teile unserer Arbeit", sagt Hrůša, der bis 2026 Chefdirigent der Bamberger Symphoniker bleiben wird, über die Konzerte in China.
Während die Musiker bequem in zwei Stunden von ihrem Auftritt in Changsha nach Shanghai geflogen sind, haben ihre Instrumente eine fünfzehnstündige Fahrt hinter sich, über Nacht, in einem riesigen Truck. Cargo-Manager Oliver Putzar hilft vielen europäischen Orchestern auf ihren Wegen durch das Reich der Mitte: "Es gibt so einen Optimismus, der im Land liegt, mit einer fast kindlichen Bereitschaft zur Freude, sich zu öffnen, aufmerksam zu sein", sagt er. Auch am Applaus und der Freude nach dem Konzert merke man, wie sehr das Publikum an Klassischer Musik aus Europa interessiert ist.
Man kann nicht wissen, was passiert. Diese offene Seite ist einer der schönsten Teile unserer Arbeit.
Im Grand Theatre von Wuxi ist es für viele Zuhörer im Publikum dagegen die erste Begegnung mit klassischer Musik. Unter der spektakulär geschwungenen Dachkonstruktion, direkt am Ufer des Tai Hu-Sees, ist es unruhiger als an den Abenden zuvor. Die strenge Saalaufsicht schickt unruhige Kinder nach draußen, zielt unerbittlich mit dem Laserpointer auf Handykameras. Die Symphoniker aber spielen präzise und inspiriert wie immer – und sorgen am Ende mit Dvoraks Siebter für Jubel. Intendant Marcus Axt zieht zufrieden Zwischenbilanz: "Im Konzert saßen neben uns zwei kleine Mädchen, die die ganze Dvorak-Symphonie mitdirigiert haben. Wenn man sowas sieht, dann sagt man: Da haben wir wieder jemanden begeistert und da tun wir was für die nächste Generation." Und dafür haben die Bamberger Symphoniker noch bis Freitag Zeit – dann findet das Tourfinale in Peking statt.
Sendung: "Leporello" am 29. Oktober 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK