Bald soll die Barenboim-Said-Akademie in Berlin ihren Studienbetrieb aufnehmen. Junge Musiker aus dem Nahen Osten durchlaufen dort neben einer musikalischen Ausbildung auch einen humanistisch-geisteswissenschaftlichen Lehrplan. Die Idee einer Musikhochschule als Versöhnungsprojekt geht auf den Stardirigenten und Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper, Daniel Barenboim, zurück.
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Bald 20 Jahre nach Gründung des musikalischen Nahost-Friedensprojektes West-Eastern Divan Orchestra geht in Berlin die Barenboim-Said Akademie an den Start. Im September will die private Musikhochschule für junge Musiker aus dem Nahen Osten ihren Studienbetrieb aufnehmen. Das kündigte der Gründungsdirektor der Akademie, der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD), am Freitag in Berlin an. Zum Wintersemester 2016/2017 sollen die ersten 30 jungen Studierenden aus dem Nahen Osten ihre Ausbildung beginnen. Die Akademie befindet sich im ehemaligen Magazingebäude der Staatsoper unmittelbar neben der St. Hedwigs-Kathedrale.
Die Idee einer Musikhochschule als Versöhnungsprojekt geht auf den Stardirigenten und Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper, Daniel Barenboim, zurück. Barenboim hatte als Vorläuferprojekt 1999 in Weimar zusammen mit dem 2003 gestorbenen amerikanisch-palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said das "West-Eastern Divan Orchestra" gegründet. Es besteht je zur Hälfte aus jungen israelischen und arabischen Musikern, die mit dem gemeinsamen Musizieren ein persönliches Zeichen für ein friedliches Miteinander setzen. Mit der Gründung der Barenboim-Said Akademie sei die Idee hinter dem erfolgreichen Orchester-Projekt auf eine neue Ebene gehoben worden, hieß es.
Alle Musiker, egal ob aus Israel oder Palästina, haben von vornherein etwas gemeinsam: eine Leidenschaft für Musik. Eine solche Leidenschaft schafft eine Verbindung zwischen Menschen.
Am Freitag präsentierten Naumann und Barenboim den noch im Rohbau befindlichen Konzertsaal der Akademie, den der US-amerikanische Stararchitekt Frank Gehry entworfen hat. Der in Erinnerung an den im Januar gestorbenen Dirigenten und Komponisten Pierre Boulez (1925-2016) benannte Kammermusiksaal soll das Glanzstück der privaten Musikhochschule werde und stellt zwei ineinander verschränkte Ellipsen dar, erster und zweiter Rang gehen ineinander über. Wände und Decken sind mit hellem Holz verkleidet, Tageslicht erhellt den Raum. Der Konzertsaal umfasst 622 Plätze und soll auch für öffentliche Konzerte zur Verfügung stehen. Die Einweihung ist am 3. März 2017 geplant.
Bis 2018/19 soll die Musikhochschule mit 80 bis 90 Studierenden voll ausgelastet sein. Die staatliche Anerkennung der privaten Hochschule sei auf einem guten Weg, sagte Naumann. Für den Umbau des ehemaligen Kulissenlagers der Staatsoper mit großem Hörsaal, Seminarräumen sowie 21 Proberäumen stehen 33,7 Millionen Euro zur Verfügung, davon 20 Millionen aus dem Etat von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Der Rest würde überwiegend aus Spenden aufgebracht, hieß es. Grütters kündigte an, dass der Bund die Hochschule ab kommendem Jahr mit zunächst 5,5 Millionen Euro fördern will. Diese "institutionelle Förderung" soll sich bis 2019 auf rund sieben Millionen Euro im Jahr erhöhen. Das Land Berlin überlässt der Akademie das Gebäude im Rahmen einer Erbpacht von einem Euro pro Jahr für 99 Jahre.
Die Akademie ist ein wegweisendes kulturelles Versöhnungsprojekt.
Vorerst noch eine Baustelle: der Konzertsaal der Barenboim-Said-Akademie in Berlin | Bildquelle: picture-alliance/dpa Monika Grütters sprach von einem "wegweisenden kulturellen Versöhnungsprojekt". Die Unterstützung der Bundesregierung sei mehr als "routinierte Kulturförderung", sondern ein Beitrag Deutschlands zum Friedensprozess im Nahen Osten. "Dass das 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Berlin möglich ist, macht uns einerseits stolz, ist aber auch eine Verpflichtung, die die Bundesregierung sieht und ernst nimmt." Die Finanzierung steht allerdings noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundestages zum Haushalt 2017. Das Auswärtige Amt unterstützt den Angaben zufolge das Projekt in der laufenden Legislaturperiode mit insgesamt vier Millionen Euro. Neben Stipendien für die ersten Studierenden sei damit die Aufbau- und Pilotphase des Studienbetriebs ermöglicht worden.
Die Akademie hat das Ziel, junge Musiker aus dem Nahen Osten neben einer musikalischen Ausbildung auch einen humanistisch-geisteswissenschaftlichen Lehrplan mit Philosophie, Geschichte und Literatur durchlaufen zu lassen. Ziel sei es, so Barenboim, "neben fachlicher Exzellenz einen Geist geprägt von gegenseitigem Verständnis zu schaffen". Die Ausbildung von Musikern sei heutzutage "in aller Regel viel zu einseitig", sagte Barenboim.
Musik ist ja abstrakt. Wenn wir über Musik sprechen, sprechen wir in erster Linie über unsere Reaktionen. Das heißt, ein Musiker, der kein inneres Leben hat, hat keine Assoziationen. Man kann kein Künstler sein ohne inneres Leben.
Dekan der Akademie ist der Musikwissenschaftler und Komponist Mena Mark Hanna. Die geisteswissenschaftliche Ausbildung leitet die Rechtsphilosophin Roni Mann.