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20 Jahre Orchesterakademie des BRSO Probelauf zum Traumjob

Wie wird eine Geigerin zum Orchestermitglied? Wo sammelt ein Klarinettist Erfahrung für seine Profi-Karriere? Seit zwanzig Jahren bildet die Akademie des BRSO musikalischen Nachwuchs aus der ganzen Welt aus. Über 180 Absolventinnen und Absolventen aus 28 Nationen kann die Akademie bis heute zählen, die meisten von ihnen spielen in renommierten Orchestern. Zum großen Jubiläum blickt BR-KLASSIK auf die Anfänge der Akademie zurück, auf zwei Jahrzehnte Nachwuchsförderung auf höchstem Niveau und trifft eine junge Geigerin, deren Zeit in der Akademie in wenigen Tagen zu Ende geht.

Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks | Bildquelle: Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks

Bildquelle: Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks

Laura Bortolotto kommt aus einem kleinen Dorf in Norditalien. Dass sie Geige spielt, ist eher Zufall, als kleines Kind hätte sie sich für jedes Instrument begeistern können. Die Musik ist die große Liebe der ganzen Familie Bortolotto, sie war bei Laura zuhause immer präsent. In der Musikschule ihres Onkels hat sie ihren ersten Geigenunterricht bekommen. Nach dem Abitur in Italien wollte sie unbedingt in Deutschland studieren: Die Sprache, die Opern von Mozart, die Lieder von Schubert, dafür hat Laura geschwärmt. Und so kam sie nach Mannheim in die Violinklasse von Marco Rizzi. Ihre Lehrer haben ihr die Orchesterakademie des Symphonieorchesters des BR empfohlen. Laura bewarb sich für ein Probespiel – und bekam einen Platz in der Akademie.

Zwei Jahre in der Akademie

Die Geigerin Laura Bortolotto, Mitglied der Orchesterakademie des BRSO | Bildquelle: Astrid Ackermann Die Geigerin Laura Bortolotto, Mitglied der Orchesterakademie des BRSO | Bildquelle: Astrid Ackermann Seit dem Sommer 2018 ist Laura Bortolotto Akademistin beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Unter normalen Umständen wäre sie schon im August aus der Akademie ausgeschieden, aber wegen der Corona-Pandemie haben Geschäftsführung und Orchester beschlossen, die Stipendien um ein halbes Jahr zu verlängern. Diese zweieinhalb Jahre haben sie sehr verändert, erzählt die 25-Jährige. Hier hat sie gelernt, was es wirklich heißt, in einem Orchester zu spielen, worauf es in der Zusammenarbeit mit erstklassigen Musikerinnen und Musikern und weltberühmten Dirigentinnen und Dirigenten ankommt. "Das kann ein Jugendorchester nicht leisten", sagt Laura. Ein bisschen habe sie schon gebraucht, um wirklich anzukommen im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Erst nach einem Jahr hat die Anspannung nachgelassen. Jetzt fühlt sie sich sicher, wenn sie mitten im BRSO sitzt. Lernen könne sie von allen im Orchester, das Niveau ist spitze. Aber ihr großes Idol ist Konzertmeister Anton Barakhovsky. "Es ist so einfach, ihm zu folgen", erzählt sie und strahlt dabei.

Hätte ich diese Akademie nicht gemacht, hätte ich keine Ahnung, wie man im Orchester spielt.
Laura Bortolotto

Die Akademie des BRSO: Zahlen und Fakten

  • Gründung im Jahr 2000 unter dem damaligen Chefdirigenten des BRSO Lorin Maazel und auf Initiative des Orchesters
  • Finanzierung durch den BR und private Förderer
  • Dauer der Ausbildung: zwei Jahre
  • Alter der Stipendiaten: zwischen 20 und 27 Jahre
  • Alle wohnen unter einem Dach im Akademiegebäude im Münchner Norden
  • Auswahl über ein Probespiel
  • Monatliches Stipendium von 650 Euro und freie Unterkunft im Akademiegebäude
  • 18 Ausbildungsplätze: vier Geigen, zwei Celli, zwei Bratschen, zwei Kontrabässe, Klarinette, Horn, Trompete, Flöte, Oboe, Fagott, Posaune und Schlagzeug
  • Ausbildungsinhalte: Einzelunterricht bei Orchestermitgliedern, Orchesterdienste und Tourneen weltweit, Kammermusik, Mentaltraining, Probespieltraining und gesundheitsfördernde Maßnahmen
  • 14 ehemalige Stipendiatinnen und Stipendiaten haben heute eine Festanstellung im BRSO

Die Anfänge der Orchesterakademie

Am 1. Oktober 2001 sind die ersten 18 Stipendiaten in die damals frisch gebaute Akademie eingezogen. Das Orchester hat sie mit einem Ständchen willkommen geheißen. Der Weg bis dorthin war nicht einfach, erinnert sich Heinrich Braun, Solo-Kontrabassist im Symphonieorchester und Gründungsmitglied der Akademie. Der Gedanke, den Nachwuchs selbst auszubilden, war schon in den 1990er-Jahren aufgekommen. Ausgangspunkt waren viele Probespiele, die ohne Ergebnis abgebrochen wurden, weil das Orchester merkte: Es fehlt der letzte Schliff, die nötige Orchestererfahrung, da gab es eine Lücke in der Ausbildung. Eine orchestereigene Akademie, um Nachwuchs zu finden, zu fördern, hohe künstlerische Qualität fortzuführen und sich als Orchester zeitgemäß für die Zukunft aufzustellen, das wünschten sich viele Kolleginnen und Kollegen.

Bildquelle: BR

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Musikkarriere – Orchesterakademie des BRSO

Platz war gesucht

Einige steckten viel Zeit und Kraft in die Realisierung dieser Idee. Kontrabassist Heinrich Braun und Soloflötist Philippe Boucly hat vor allem ein Gedanke angetrieben: Was hätten wir uns am Ende unseres Studiums gewünscht? Was hätten wir gebraucht, um besser in den Beruf des Orchestermusikers einsteigen zu können? Ein ganz wichtiger Punkt für beide: Studentinnen und Studenten besser an die Probespiele heranzuführen. Mentales Training war zu dem Zeitpunkt im Sport schon etabliert, in der Musik noch Neuland. Die größte Herausforderung war der nicht vorhandene Platz. Wo sollten die jungen Musikerinnen und Musiker proben und unterrichtet werden? Die Idee eines eigenen Gebäudes erschien völlig utopisch, erzählt Heinrich Braun. Denn Wohnraum war schon damals ein schwieriges Thema in München.

Alle unter einem Dach

Private Verbindungen, die Unterstützung des BR und wahrscheinlich auch ein bisschen Glück ermöglichten ein Objekt im Münchner Norden, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Akademistinnen und Akademisten. Mit 18 Einzel-Apartments, schallgeschützten Proberäumen, Gemeinschaftsraum und einem Büro für die Geschäftsleitung. Bis heute ist es die einzige Orchesterakademie in Deutschland, in der alle Stipendiaten unter einem Dach zusammenleben. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg dieser Akademie – hier können die Akademistinnen und Akademisten auch voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen, sich inspirieren und motivieren. Eine Erinnerung, die ihnen für immer bleiben wird.

Glücksfall für die Akademie

Ideen, Konzepte, ein Gebäude reichen nicht aus, um eine Akademie wirklich zum Leben zu erwecken. Das konnte aus den Reihen des Orchesters nicht gestemmt werden. Christine Reif war es, die alles zum Laufen brachte. Sie war die rechte Hand von August Everding, hatte dessen Theaterakademie mit aufgebaut und war bestens vernetzt in der Kulturbranche. Diese Geschäftsführerin war ein Glücksfall für die Akademie. Sie machte sie international bekannt.

Ohne diese unglaubliche Professionalität von Christine Reif wäre das eine Totgeburt geworden.
Heinrich Braun, Gründungsmitglied der Akademie

Bildquelle: Astrid Ackermann

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Konzert-Stream: 20 Jahre Orchesterakademie des BRSO

Warten auf die Probespiele

In wenigen Tagen endet das Stipendium der Akademistin Laura Bortolotto. Eins ist ihr nach dieser Zeit klar: Sie will unbedingt Geigerin im Symphonieorchester des BR werden! Schon im Herbst wollte sie zum Probespiel für eine feste Orchesterstelle antreten, doch das Vorspiel wurde coronabedingt auf Februar verschoben – kann aber auch zu diesem neuen Termin wegen der strengen Corona-Regeln voraussichtlich nicht stattfinden. In der Akademie hat Laura sich intensiv auf Probespiele vorbereitet, wenn es soweit ist, will sie alles geben. Doch das Warten macht es nicht einfach, sich immer wieder aufs Neue zu motivieren. Damit kämpfen auch die anderen Akademistinnen und Akademisten. Da sie in der Akademie Tür an Tür wohnen, können sie sich regelmäßig austauschen, ihre Sorgen miteinander teilen. Ein bisschen Angst hat Laura Bortolotto, dass es nicht klappt mit der Stelle, aber sie versucht positiv zu bleiben. Sie möchte so gern in Deutschland bleiben und gerne auch in München.

Die Zukunft der Orchesterakademie des BRSO

Die Akademie wird seit 2019 von einer neuen Geschäftsführerin geleitet: Bettina Binder. Sie setzt auf eine nachhaltige Ausbildung. Der Fokus auf das Probespiel, der Leistungsdruck komme von ganz allein. Was brauchen die jungen Musikerinnen und Musiker, um ihre Persönlichkeit zu entfalten, um ihre Stärken besser kennenzulernen und sie auszubauen? Daran möchte sie arbeiten. Den Akademistinnen und Akademisten vermitteln, was der Orchesterberuf bedeutet, den sie im Idealfall vierzig Jahre ausüben werden. Flötistin Natalie Schwaabe findet, dass sich der Beruf auch sehr verändert hat in den letzten Jahren. Gut spielen ist heute natürlich auch noch zentral, aber Musikerinnen und Musiker sollten auch in der Lage sein, sich vor eine Schulklasse zu stellen und Kinder zu inspirieren mit dem, was sie tun. Vor Publikum moderieren, kreative Programme zusammenstellen. All das ist heute gefragt: ein Allround-Talent.

Sendung:
"Das Musik-Feature" am 5. Februar 2021 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Wiederholung am
6. Februar, ab 14:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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