Jahrhundertelang war sie unter strengem Verschluss: eine der kostbarsten Musikhandschriften der Renaissance. Der Bußpsalmenkodex von Herzog Albrecht V. enthält neben Kompositionen von Orlando di Lasso auch prachtvolle Gemälde von unschätzbarem Wert. Nun kommt dieser Kunstschatz erstmals an die Öffentlichkeit - in digitalisierter Form.
400 Seiten umfassen die Chorbücher, jede davon ist kunstvoll ausgemalt - mit Blätterranken, Tieren und mythischen Figuren. Die Gemälde stellen vor allem Szenen aus der Bibel dar, eng umschlingen sie die Notenzeilen. Noch hat keiner die Bilder nachgezählt.
Der Bußpsalmenkodex von Albrecht V. wurde seinerzeit zum "neuen Weltwunder" ausgerufen. Die beiden Chorbücher aus dem 16. Jahrhundert enthalten Psalmenvertonungen von Orlando di Lasso, einem der populärsten Komponisten der Renaissance. Lasso war damals Hofkapellmeister in München, wo auch Albrecht V. als Herzog von Bayern residierte. Heute befindet sich der Bußpsalmkodex in der Bayerischen Staatsoper. Bernhold Schmid, Musikwissenschaftler an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, schwärmt nicht nur von der Musik, sondern auch von den Gemälden. "Das müssen so zwischen zweieinhalb- und dreieinhalb Tausend sein", so Schmid. "Das müsste man wirklich einzeln durchzählen."
Es ging auch darum, ein 'theatrum sapientiae' darzustellen, erklärt Bernhold Schmid. Das heißt, es sollte einfach das Wissen der damaligen Zeit abgebildet werden. So enthält der Kodex beispielsweise Abbildungen von Elefanten. "Ich glaube nicht, dass man damals in München einen zoologischen Garten hatte", sagt Schmid. Was heutzutage jedes Kind im Tierpark anschauen kann, wurde damals im Kodex festgehalten. In Zusammenhang mit der Sintflut beispielsweise wurde eine ganze Reihe exotischer Tiere dargestellt: Affen, Löwen und Elefanten. So gesehen sind die Chorbücher auch ein Bildarchiv des damaligen Wissens.
Dieses Wissen in Form von Bildern war damals allerdings nur wenigen vorbehalten. Eifersüchtig hütete der bayerische Herzog Albrecht V. sein "neues Weltwunder" hinter den Mauern der Münchner Residenz. Nur Angehörige des Hofes durften einen Blick darauf werfen. Dasselbe galt für Lassos Bußpsalmvertonungen.
Die prächtigen Chorbücher selbst lagen bislang hinter den dicken Tresortüren der Bayerischen Staatsbibliothek. Jetzt soll der Bußpsalmenkodex vollständig digitalisiert werden. Ein kostspieliges Unternehmen, doch der Staatsbibliothek ist es gelungen, dafür Geld zu beschaffen.
"Damit ist der Kodex, wenn er digitalisiert sein wird, öffentlich zugänglich", freut sich Bernold Schmid. "Das heißt: Jeder kann im Internet darin herumblättern, was da im 16. Jahrhundert Großartiges geleistet wurde."
Donnerstag, 23. Februar 2017, 19.30 Uhr
Herz-Jesu-Kirche, München
Singphoniker
Orlando di Lasso: Bußpsalmen
Multimedia-Performance mit großen Ausschnitten aus Lassos Bußpsalmen und Projektionen und Texten.