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Streit an der Bayerischen Staatsoper Testverweigerer – legal, aber unkollegial?

Ohne Coronatest ist Orchesterarbeit derzeit nicht möglich. Denn schließlich arbeiten hier mehrere Menschen gemeinsam im gleichen Raum. In vielen Orchestern wird darüber teils hitzig diskutiert. Ein Mitglied des Bayerischen Staatsorchesters klagt jetzt gegen seinen Arbeitgeber, weil es sich nicht testen lassen will und ohne Gehalt vom Dienst freigestellt wurde. Noch ist die Klage bundesweit ein Einzelfall – nicht aber die Weigerung von Musikern, sich testen zu lassen.

Coronatest | Bildquelle: picture alliance / CHROMORANGE | Matthias Stolt

Bildquelle: picture alliance / CHROMORANGE | Matthias Stolt

Ohne Coronatests kann während der Pandemie kein Orchester spielen. Die meisten Musikerinnen und Musiker lassen sich auch bereitwillig testen. Dennoch gibt es in fast allen Orchestern einige, die Tests verweigern. Das bestätigt auch Gerald Mertens von der Deutschen Orchestervereinigung (DOV). Was, wenn ein Testverweigerer mitten im Orchester sitzt? Ist dieses Verhalten unkollegial? Darüber wird in vielen Orchestern derzeit hitzig diskutiert. Mertens kann Kritik an den verpflichtenden Tests nachvollziehen. Gerade weil es sich um Tätigkeiten handele, die eine besondere Atemtechnik erfordern, hätten manche Sängerinnen und Bläser die Befürchtung, dass durch einen PCR-Test quasi ein Eingriff vorliege: "Solche Sorgen gibt es halt, und die muss man eben auch ernst nehmen", so Mertens.

Die Hauptfrage bei den Testungen ist ja: Ich entscheide nicht nur für mich selbst, sondern ich entscheide auch für die anderen.
Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper

Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper  | Bildquelle: Christian Kaufmann Nikolaus Bachler | Bildquelle: Christian Kaufmann Ein Mitglied des Bayerischen Staatsorchesters in München klagt gegen seinen Arbeitgeber, weil es sich nicht testen lassen will – und ohne Gehalt vom Dienst freigestellt wurde. Das Verfahren ist schwebend, daher war der Betroffene zu keiner Stellungnahme bereit. Auch Staatsopern-Intendant Nikolaus Bachler will sich zu dem konkreten Fall nicht äußern. Gegenüber BR-KLASSIK bestätigt Bachler aber, dass Coronatests für alle Musiker in seinem Orchester verpflichtend seien. Denn bei einem Test entscheide der Einzelne ja nicht nur für sich selbst: "Die Gefährdung ist ja nicht nur für mich, sondern für den anderen", sagt der Intendant. Daher sei es klar gewesen, dass die Staatsoper Tests durchführen wolle. Diese sind laut Bachler auf großes Verständnis gestoßen. Wer sich den Tests verweigert, müsse freigestellt werden, sagt Bachler: "Denn wenn von 80 Leuten einer nicht mitmacht, ist das ganze System gefährdet." Jede Freistellung bedeute, dass man nicht zum Dienst erscheinen dürfe und nicht bezahlt werde.

Streit um Bezahlung von freigestellten Mitarbeitern

Die Bezahlung ist strittig. Seit dem 20. April 2021 müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zwei Tests pro Woche zur Verfügung stellen. So sieht es die Verordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vor.

Das deutsche Arbeitsrecht kennt keine Testpflicht. Insofern kann das vom Arbeitgeber in der Regel auch nicht einseitig angeordnet werden.
Gerald Mertens, DOV

Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung | Bildquelle: Maren Strehlau Gerald Mertens | Bildquelle: Maren Strehlau Den Arbeitnehmern steht es allerdings ausdrücklich frei, diese Angebote anzunehmen oder auch nicht. Das Ministerium argumentiert, dass die rechtlichen Hürden für eine Testpflicht der Mitarbeitenden zu hoch seien. Dem stünden das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und Persönlichkeitsschutzrechte entgegen. So argumentiert auch Gerald Mertens von der Deutschen Orchestervereinigung, der selbst Rechtsanwalt ist. Deshalb könnten verpflichtende Tests vom Arbeitgeber in der Regel auch nicht einseitig angeordnet werden. Entscheiden müssen nun die Gerichte.

Orchester suchen nach Lösungen

Mit den Testungen gehen die Orchester ganz unterschiedlich um. Bei den Münchner Philharmonikern wird anonym und freiwillig getestet, und zwar von medizinischem Fachpersonal. Bei den Klangkörpern des Bayerischen Rundfunks gibt es keine Testverweigerer.

Wenn von 80 Leuten einer nicht mitmacht, ist das ganze System gefährdet. Es geht nicht nur um Individuelles, sondern auch um Gesamtheitliches.
Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper

Der Intendant der Bayerischen Staatsoper, Nikolaus Bachler, appelliert an alle Musikerinnen und Musiker des Bayerischen Staatsorchesters, sich testen zu lassen. Zwar hätten Menschen unterschiedliche Einstellungen zum Leben, die respektiert werden müssten. In der jetzigen Situation jedoch müsse man schauen, wie ein Weg gefunden werden könne, der alle schützt. Es gehe nämlich nicht nur um Individuelles, sondern auch um Gesamtheitliches, so Bachler.

Bald wieder Aufführungen vor Publikum geplant

Die Musiker des Bayerischen Staatsorchesters halten derzeit bei den Proben und digitalen Konzerten den Mindestabstand von zwei Metern ein. Allerdings wollen sie bald wieder im Graben spielen, wo sie enger zusammensitzen. Auch Aufführungen vor Publikum stehen demnächst an. Ohne Coronatests für alle könnte das schwierig werden.

Sendung: "Leporello" am 6. Mai 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (5)

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Sonntag, 09.Mai, 20:51 Uhr

Frank Mergenthaler

Testpflicht

Mit der einseitigen Anordnung einer Testpflicht schlägt Intendant Bachler, der vor kurzem seinen 70. Geburtstag feierte (BR Klassik gratulierte) mal wieder eindeutig über die Stränge. Dass Musiker, die sich gegen einen solchen Eingriff in ihre Grundrechte wehren, unbezahlt von der Arbeit freigestellt werden und vor Gericht um ihre Rechte klagen müssen, ist in Deutschland ein einmaliger Vorgang. Interessieren würde mich, ob Intendant Bachler sein Vorgehen mit seinem Vorgesetzten, dem Bayerischen Kunstminister Sibler, abgesprochen hat. Sollte dieser Bachlers Vorgehen gutheissen, wäre das politischer Zündstoff: Ein Landesministerium hält sich in seinen eigenen Institutionen nicht an die Verordnung des Bundesministeriums. Oder billigt zumindest stillschweigend den Verstoss dagegen.

Sonntag, 09.Mai, 17:31 Uhr

BR-KLASSIK

Antwort an Cora Oertel

Ihre Behauptung, PCR- und Antigen-Tests könnten keine Infektion nachweisen, ist falsch. PCR- und Antigen-Test haben eine hohe Genauigkeit, sie sind ein wichtiges Hilfsmittel. Wenn wir die Tests beenden, würde die Pandemie nicht beendet, sondern verlängert. Mehr Fakten dazu: https://www.br.de/nachrichten/wissen/corona-zahlen-steigen-nicht-nur-wegen-anzahl-der-tests,SFYSfFv

Samstag, 08.Mai, 21:09 Uhr

Wilfried Schneider

UNKOLLEGIAL

An Cora Oertel: Sie schreiben schlicht und ergreifend Blödsinn! Unkollegialität, und das ist es, hat mit Mut nichts zu tun. Es fiele mir zwar noch einiges zu den Querdenkern ein, aber wenn ich das schreibe, wird es wohl nicht veröffentlicht. Also lasse ich es. Nur noch soviel: Leute wie Sie tragen zu den Auftrittsverboten der Künstler aktiv bei. Und noch das: Die Behauptung, ohne Teste gäbe es keine Pandemie, ist an Dummheit fast nicht mehr zu überbieten. Wenn ich um 12 Uhr Mittags die Augen zumache, ist es Mitternacht!

Samstag, 08.Mai, 12:49 Uhr

Cora Oertel

Gut so!

Ich bewundere den Mut der Musiker, die sich nicht testen lassen! Bravo!!!!! Schade, dass sich nicht alle verweigern, dann ließe sich etwas bewirken. Längst wurde fachlich klar gestellt, zum Beispiel in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet", dass die PCR- und Antigen- Tests keine Infektion nachweisen können und kontraproduktiv für eine hohe Falschpositiv-Rate sorgen. Ein falschposivites Testergebnis ist dann gleichzusetzen mit 14-tägiger Quarantäne. Wir leben nach absurden Regeln, unsere freiheitlichen demokartischen Grundrechte sind dahin, Gesunde müssen nachweisen, dass sie gesund sind und ein Großteil der obrigkeitshörigen Gesellschaft findet sich damit auch noch ab.Wenn alle aufgewacht wären und die Test-Orgien ein Ende fänden, hätten wir auch keine Pandemie mehr.

Freitag, 07.Mai, 14:21 Uhr

Brigitte Steinert

Testpflicht in Orchestern

Auch wenn aus rechtlichen Gründen eine Verpflichtung zum Coronatest schwierig ist, hat jeder doch eine moralische Pflicht den KollegInnen gegenüber. Daher halte ich Tests, an denen jedermann und jedefrau teilnehmen muss, für absolut gerechtfertigt. Nicht nachvollziehen kann ich die Sorge mancher MusikerInnen und SängerInnen vor eventuellen Folgen des Eingriffs. Ein Besuch in der HNO Praxis könnte dann genauso "gefährlich" sein. Sicherstellen sollte man allerdings, dass der Test von medizinisch geschultem Personal durchgeführt wird. In jedem Fall kann Corona Folgen haben, die weitaus berufsgefährdender sind.

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