Der schwarze Blues- und Boogie-Woogie-Pianist Daryl Davis hat schon mit den Rock’n‘Roll-Stars Jerry Lee Lewis und Chuck Berry sowie der Blues-Legende Muddy Waters auf der Bühne gestanden. Er ist auch ein Kämpfer gegen Rassismus. In den 90er Jahren trifft Daryl Davis bei einem seiner Konzerte ein Mitglied des Ku-Klux-Klans. Dieser Tag verändert sein Leben.
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Daryl Davis
Ein Pianist kämpft gegen Rassismus
Daryl Davis ist in seinem Musikerleben viel herumgekommen und hat dementsprechend immer eine spannende Anekdote auf Lager. Zum Beispiel, wie Chuck Berry einmal bei ihm im Wohnzimmer einschlief, wie sein Vater aus Versehen einen Cognac austrank, der ein Geschenk von Muddy Waters war, oder wie Elvis Presley bei einem Auftritt fast von der Bühne fiel.
Daryl Davis ist charismatisch, er ist sensibel – und: He knows how to play the Blues. Aber er war nicht immer so zufrieden mit seinem Leben. Als Kind traf ihn der in Amerika offen ausgelebte Rassismus sehr. "Im Alter von zehn Jahren hatte sich in meinem Kopf diese Frage gebildet. Sie lautete: Wie kannst du mich hassen, wenn du mich nicht kennst?" Von diesem Zeitpunkt an suchte er nach einer Antwort. Doch niemand konnte sie ihm geben.
Die Ursache des Problems ist Ignoranz. Ignoranz erzeugt Angst. Angst erzeugt Hass. Wir hassen das, was uns Angst macht.
Dann war da dieses Konzert in einer Bar in den späten Neunziger Jahren: Daryl Davis, mittlerweile erwachsener Profimusiker, spielt mit einer Countryband. Nach der Show spricht ihn ein Zuschauer an. Er ist erstaunt, dass ein Schwarzer Piano spielen konnte wie Jerry Lee Lewis. "Ich erklärte ihm, dass der Stil von Jerry Lee Lewis von den schwarzen Blues- und Boogie-Woogie-Pianisten inspiriert ist. Er glaubte mir nicht", sagt Davis. Selbst nachdem er dem Mann erklärte, dass er mit Jerry Lee Lewis befreundet sei und er ihm selbst von seinen Vorbildern erzählt habe, glaubte ihm der Zuhörer kein Wort.
Bildquelle: © picture alliance / ZUMA Press Der Gast in der Bar, so stellte sich schnell heraus, war Mitglied des rassistischen Ku-Klux-Klan. Und da war sie wieder – diese Frage: Wie kann man jemanden hassen, den man gar nicht kennt? Dieses Mal sollte Daryl Davis eine Antwort bekommen. Er freundete sich mit dem Konzertgast an und beschaffte sich die Adresse des obersten Klansmann von Maryland: Imperial Wizard Roger Kelly. Mit einem Trick organisierte er ein Treffen: Seine weiße Sekretärin machte ein Interview mit dem Klan-Mitglied aus. Der Mann ging davon aus, dass das natürlich ein Weißer sein musste, der mit ihm reden wollte. Die Überraschung war groß. "Wir waren in einem Motel-Zimmer. Es klopfte an der Tür und Mary, meine Sekretärin, öffnete. Zuerst kam der Bodyguard zur Tür rein, bewaffnet mit einer Pistole. Roger Kelly war direkt hinter ihm. Als der Bodyguard mich sah, blieb er abrupt stehen. Roger Kelly hatte das nicht bemerkt und stieß von hinten mit ihm zusammen. Sie stolperten beide und blickten sich im Raum um: Irgendwas stimmte hier nicht."
Daryl Davis stand auf und kehrte die offenen Handflächen nach außen um zu zeigen, dass er unbewaffnet war, schüttelte den beiden verdutzten Männern die Hände und schaffte es, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Mit Erfolg: Am Ende trat Roger Kelly aus dem Ku-Klux-Klan Maryland aus, einige Mitglieder folgten ihm.
Wenn du das Problem beseitigen willst, beseitige die Ignoranz. Ignoranz ist heilbar. Der Schlüssel dazu lautet: Bildung und Aufklärung.
Filmplakat "Accidental Courtesy: Daryl Davis, Race & America" | Bildquelle: Accidental Courtesy / Press Für Daryl Davis bestätigte sich sein Verdacht, dass die Ursache für Rassismus in der Ignoranz liegt. Sie erzeuge Angst vor dem Unbekannten. "Wir hassen das, was uns Angst macht. Wenn wir den Hass nicht in den Griff bekommen, erzeugt er Zerstörung. Man will das, was man hasst, kaputt machen, weil es einem Angst macht." Davis sieht diese angsterzeugende Ignoranz aber als heilbar an. Für ihn liegt der Schlüssel zur Bekämpfung in Bildung und Aufklärung. Deswegen reist Daryl Davis auch immer wieder nach Europa, um seine Erfahrungen zu teilen und die Leute zum Diskutieren und Nachdenken anzuregen. Gerade erst war er auf Einladung der Munich International School in Deutschland und Polen, um Vorträge zu halten. Und natürlich auch, um mit anderen Musikern zusammen zu kommen und zu spielen. Denn auch mit Musik lässt sich Angst vor dem Fremden und Ignoranz bekämpfen.
Sendung: "Allegro" am 29. Oktober 2019 ab 06:05 Uhr in BR-KLASSIK