"Das schlaue Füchslein" von Leoš Janáček wird gerne als harmlose Märchenoper inszeniert. Darin geht es um das Schicksal einer Füchsin, die ein Förster einfängt und auf seinen Hof verschleppt. Die ungarischen Regisseurinnen Alexandra Szemeredy und Magdolna Parditka ersetzen die Füchsin durch ein Mädchen und inszenieren ein Stück, das von Zwangsprostitution Minderjähriger handelt. Am Samstag feierte die Oper am Landestheater Coburg Premiere.
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Auf der Bühne sind Käfige zu sehen. Darin stehen kleine Mädchen auf Stroh, um ihre Münder herum verschmierter roter Lippenstift. An den Gitterstäben hängen schlichte Schiefertafeln mit den Aufschriften "Füchsin", "Henne" oder "Fliege". Bewaffnete Männer bewachen die Mädchen und lassen hin und wieder Freier in die Käfige rein. Eine grausame Szenerie. Das Landestheater Coburg sah sich sogar veranlasst, eine Empfehlung für ein Mindestalter der Zuschauer von 16 Jahren zu geben. Der musikalische Leiter Roland Kluttig besteht darauf: "Das ist eine Warnung. Wenn man den Titel 'Das schlaue Füchslein' liest, denkt man ja sofort, es handle sich um eine Kinderoper. Tierfabeln, irgendwas Nettes."
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Nett ist es aber eben nicht, was da auf die Bühne kommt. Gleich am Anfang entführt ein Polizist ein Mädchen. Er packt es und beschimpft es als "glitschiges Luder". In Janáčeks Oper ist der Protagonist ein Förster - in der Inszenierung am Landestheater Coburg ist es ein Polizist, gespielt vom Münchner Opernsänger Peter Schöne. Aus der Füchsin wird in der Inszenierung ein Mädchen, Terynka, die aus ihrer behüteten Umgebung auf einmal herausgerissen wird. Die ungarischen Regisseurinnen Alexandra Szemeredy und Magdolna Parditka verzichten auf Tiermasken. Sie trennen die Menschenwelt nicht von der Tierwelt, sondern lassen sie verschmelzen: "Es war eine grundsätzliche Entscheidung, dass wir die Menschen in ihrer Ambivalenz zeigen," sagt Magdolna Paraditka, "wir sprechen das aus, was eigentlich nur angedeutet wird."
Die Schauplätze auf der Bühne wechseln. Mal ist ein Klassenzimmer zu sehen, mal eine Polizeiwache, mal ein Wald. Die Kulissen wirken immer zeitlos und düster. Tiere gibt es auf der Bühne nur in Form von Handpuppen. Eine Psychotherapeutin setzt sie zum Beispiel ein, um das Mädchen von ihrem erlittenen Trauma zu heilen. Es geht um Mädchenhandel und Machtdemonstration. Sie wollten Janáčeks Oper Aktualität verleihen, sagt Regisseurin Alexandra Szemeredy. Der musikalische Leiter Roland Kluttig ist davon überzeugt, dass dieser Interpretationsansatz im ursprünglichen Stoff durchaus angelegt ist: "Das ist keine 'Vergewaltigung' des Stückes. Nein, was die Regisseurinnen daraus gelesen haben, ist auch alles im Stück drin."