Alt und modern nebeneinander – das ist auf der Opernbühne eher selten. An der Bayerischen Staatsoper treffen nun Purcells "Dido und Aeneas" und Schönbergs Monodram "Erwartung" aufeinander. Muss das sein? Ja, findet Regisseur Krzysztof Warlikowski. Und er hat in der Tat einen spannenden Ansatz gefunden.
Bildquelle: Bernd Uhlig
Da prallen Welten aufeinander: draller Barock, satt und lustvoll – und zersplitterte Melodien, eckig und scharf wie Glasscherben. Gänsehautmomente, die es auf jeden Best-of-Barock-Sampler geschafft haben, und Panikattacken, wie sie eigentlich auf Sigmund Freuds Couch gehören. Der Regisseur Krzysztof Warlikowski ist mit seinem bewährten Team in München angerückt. Und er hat die beiden Stoffe der Opern von Henry Purcell und Arnold Schönberg aneinander gerückt.
Das eine Libretto stammt aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und geht zurück auf Vergil. Das andere wurde 1908 von einer Hobbydichterin und angehenden Ärztin geschrieben. Eine Verbindung der jeweiligen Geschichten zu finden, ist schon mal gar nicht so kompliziert: in beiden Fällen geht es um eine Dreiecksbeziehung und eine unerfüllte Liebe, wegen der eine Person Selbstmord begeht.
Die beiden Stücke helfen sich gegenseitig. Sie öffnen einander neue Türen.
Beide Stücke werden nicht oft auf die Opernbühne gebracht, sagt Krzysztof Warlikowski. Beide seien für einen Abend zu kurz, wenn man sie für sich nimmt. Die Lösung? "Wenn man sie kombiniert, dann denkt man plötzlich ganz anders über die jeweilige Geschichte nach", sagt Warlikowski. "Darüber, wie sich die Beziehung der drei Hauptpersonen entwickelt – gerade in 'Dido und Aeneas', wer erwartet was von wem?" In Schönbergs Monodram "Erwartung" würden zwar keine drei Personen auftreten, "aber wir wissen ja von ihrer Affäre mit einem Freund ihres Ehemannes."
1/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
2/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
3/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
4/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
5/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
6/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
7/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
8/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
9/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
10/10
Bildquelle: Bernd Uhlig
Dirigieren wird den Abend der Engländer Andrew Manze: als Barockgeiger, ein Barockspezialist. Der Dirigent kennt sich mit historischer Aufführungspraxis aus und ist obendrein Engländer – wie geschaffen für Henry Purcells Musik! Aber Manze ist ein totaler Frischling im Orchestergraben eines Opernhauses. In der Oper sieht sich Andrew Manze nämlich eigentlich lieber gemütlich im Sessel sitzend. "Aber der Intendant Serge Dorny hat was an meiner Haltung verändert", erklärt er. Sie seien seit vielen Jahren befreundet. "Und weil es dieses tolle Haus ist, die Bayerische Staatsoper, weil es Serge ist, der gefragt hat, da hab ich gesagt: Okay, ich mach's."
Der Abend mit den zwei Werken flutscht in einem Rutsch durch. Die Barriere zwischen den Jahrhunderten überwindet man, indem man per Videoinstallation durch eine Art Zeittunnel rauscht. Und gegen eine vermeintliche Langeweile wird auf der Bühne eine Party gefeiert. Gastgeberin ist keine Geringere als Liebesgöttin Venus aus Purcells Oper, gesungen von Rinat Shaham: "Als Opernsängerin kennt man mich ja schon aus dem ersten Teil. Im Zwischenspiel improvisiere ich. Was kommt, das kommt!" Den größten Sprung zwischen den zwei grundverschiedenen Stilen muß wohl die Sopranistin Ausrine Stundyte meistern. Erst als Königin von Karthago, als Dido, dann quasi als die Bürgerliche Mathilde Schönberg. Die litauische Sängerin orientiert sich dafür an bekannten menschlichen Gefühlen: "Jeder von uns kennt das: Diese fast panische Angst, einen geliebten Menschen zu verlieren. Und die Frage: Wie weit gehst du, um den Menschen zu halten?"
Arnold Schönberg | Bildquelle: picture-alliance/Imagno Aber der emotionalen Zerrissenheit von Schönbergs Monodram, diese 25 Minuten selbstzweiflerisches Selbstgespräch von Schönbergs Ehefrau Mathilde, denen kann man sich nicht entziehen: "Das Stück ist quasi als Unfall entstanden. Als Nebenprodukt eines heftigen Gefühlszustandes." In der Operngeschichte gibt es einige solcher Opern, die aus einem inneren, einem emotionalen Drang heraus komponiert wurden. Und im Fall dieser Schönberg-Oper war es der eigene Wahnsinn! Weil ihn seine Frau verlassen hat, wurde Schönberg verrückt.
Für das Orchester ist die Kombination von Musikstilen aus komplett unterschiedlichen Epochen eine Herausforderung. Erst galant, dann kantig. Mit dem Bayerischen Staatsorchester ist das kein Problem, meint Andrew Manze. Die Besetzung wird angepasst: erst schlank, dann üppig. Und der Sound passt sowieso."Sämtliche Kollegen haben mich schon gewarnt: Du wirst dieses Orchester lieben", erzählt Andrew Manze. "Es ist nunmal so: Wirklich großartige Musiker sind nicht die, die laut spielen können, sondern sanft und weich."
Premiere: Sonntag, 29. Januar 2023 um 17 Uhr
"Dido und Aeneas" von Henry Purcell, Oper in drei Akten
"Erwartung" von Arnold Schönberg, Monodram in einem Akt
mit einem Interlude von Paweł Mykietyn
Bayerische Staatsoper
BR-KLASSIK überträgt die Vorstellung am Mittwoch, 1. Februar 2023 (mit Foyer) ab 18:30 Uhr live.
Sendung: "Piazza" am 28. Janaur 2023 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Sonntag, 29.Januar, 21:52 Uhr
Susanne Maier
Rechtschreibung
Bitte korrigieren: Sigmund Freud schreibt sich nicht mit „ie“.