Die Geigerin Sousan Eskandar träumte in ihrer Heimat Syrien von einer Karriere als Musikerin. Der dortige Bürgerkrieg zwang sie vor drei Jahren zur Flucht. In Deutschland unterrichtet sie nun Migrantenkinder - und geht im Sommer mit dem Sänger der Rockband "Blur", Damon Albarn, auf Tournee.
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Besuch bei Sousan Eskandar zu Hause: Die Geigerin sitzt auf ihrem Sofa in einer Einzimmerwohnung in der Hansestadt Lübeck und schaut sich ein Video auf ihrem Handy an - Aufnahmen von einem Konzert, für das sich der britische Rockstar Damon Albarn - Sänger der Band "Blur" - zum ersten Mal mit syrischen Musikern zusammengetan hatte, ein Ereignis in der syrischen Hauptstadt Damaskus, 2009 war das.
Ihre Frühstücks-Brote rührt Eskandar nicht an, schwärmt vom Frühstück in ihrer Heimat: Hummus, Oliven, Käse. Sie hat sich nicht leicht getan damals, ihren Job beim einzigen staatlichen Symphonie-Orchester des Landes aufzugeben. Aber: Es war lebensgefährlich geworden, sich auf den Weg zur Probe in der Oper von Damaskus zu machen. Konzerte mussten wegen Bombeneinschlägen und Kämpfen in der Stadt abgesagt werden.
Der Sänger von "Blur", Damon Albarn. | Bildquelle: imago/Matrix
Doch es gibt Hoffnung. Damon Albarn hat sich zum Ziel gesetzt, die Musiker des Syrischen Nationalorchesters wieder zusammenzubringen - für eine gemeinsame Tour: Am 25. Juni ist in London ein Konzert zum Gedenken an den ersten Weltkrieg geplant. Vier Tage später, am 29. Juni eröffnen Albarn und die syrischen Musiker das „Roskilde Festival“ in Dänemark - eine Großveranstaltung mit über 100.000 Besuchern. Sousan Eskandar wird dabei sein - sie strahlt.
Auf das Wiedersehen mit den syrischen Musikerkollegen freue sie sich sehr, sagt sie, ebenso auf den Auftritt mit Damon Albarn. Der britische Popsänger sei ein großartiger Künstler, so Sousan Eskandar. „Wir können mit unserem Auftritt zeigen, dass es in Syrien nicht nur Krieg und Terror, sondern auch Kultur gibt".
Musik ist ein wunderbares Mittel zur Kommunikation und Integration.
Sousan Eskandar hatte zunächst in ihrer Heimatstadt Damaskus Geige studiert, danach spielte sie sechs Jahre im syrischen Nationalorchester - dem einzigen Profi-Symphonieorchester des Landes. Mozart, Beethoven, Schostakowitsch, aber auch Werke arabischer Komponisten hatte das Orchester im Repertoire. Es spielte Konzert-Tourneen und hatte Dirigenten aus der ganzen Welt zu Gast.
Dann kam der Bürgerkrieg, Sousan und ihre Familie waren gezwungen zu fliehen. Sousans Eltern gingen nach Schweden. Ihr Vater, der Komponist Nouri Eskandar hatte dort einen Lehrauftrag. Sie selbst bekam für Schweden kein Visum - da sie bereits volljährig war, so die 33-jährige Musikerin. 2012 trat die Geigerin bei einem Musikfestival in Osnabrück auf. Sie entschied sich, nicht mehr in ihre Heimat zurückzukehren. Sie blieb in Deutschland, und versucht seitdem, hier musikalisch Fuß zu fassen und ihre Karriere auf dem Niveau fortzusetzen, das sie von der Arbeit in ihrer Heimat gewohnt ist.
Seit 2013 lebt die Geigerin in Lübeck. Hier hat sie inzwischen einige Musikerkollegen aus Syrien wiedergetroffen, mit denen sie ab und zu auftritt. Sie spielt in einem kleinen Kammerorchester. Und im Rahmen eines Projekts einer Lübecker Schule gibt sie selbst Kindern mit Migrationshintergrund Musikunterricht. "Musik ist ein wunderbares Mittel zur Kommunikation und Integration. Davon sollen möglichst viele Kinder profitieren", sagt Sousan Eskandar, die selbst bis zu sieben Stunden am Tag deutsche Vokabeln und Grammatik paukte.
Sousan Eskandar klappt ihren Geigenkoffer auf, der direkt neben ihrem Sofa und am Fußende ihres Bettes steht. Sie hat nicht viel Platz, aber sie kann üben - den Nachbarn ist es recht. Und ihr ist es ein Bedürfnis. Das Geigespielen, das war das einzige, was ihr geholfen habe - allein in ihrer Wohnung, fern von Heimat und Familie.
Mein Instrument war alles für mich!
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