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Kritik – "Dimensions of Dance" in Augsburg Dreimal enthusiastische Tanzlust

Am 3. Oktober startete die Ballettsaison in Augsburg mit drei zeitgenössischen Stücken, kombiniert unter dem Namen "Dimension of Dance. Part 3" und getanzt von einem Ensemble, dem die Bühne sichtlich gefehlt hat: enthusiastische Tanzlust trifft auf schneidende Präzision und funkelnde Bühnenpräsenz. BR-KLASSIK war für Sie dabei.

"Dimensions of Dance" am Staatstheater Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Wenn die Live-Kultur nicht nur auf die Bühnen, sondern auch in die Köpfe und Körper der Menschen zurückkehren soll, braucht es dafür auch ästhetische Strategien. Das Staatstheater Augsburg gehörte in den vergangenen Lockdowns zu den Häusern, die mit am geschicktesten darin waren, digitale Bühnen zu schaffen. Es gab VR-Brillen-Inszenierungen, es gab ein eigenes Team, das am Haus für die digitale Umsetzung der Stücke fürs Internet sorgte. Nun spielt man wieder auf der Bühne (immer noch im Ausweichquartier im Martini-Park) vor Publikum. Am Sonntag feierten drei zeitgenössische Ballettstücke unter dem Namen "Dimension of Dance. Part 3" Premiere. Alle drei handeln von Nähe, von Zwischenmenschlichkeit und auch von Exzess – ästhetisch sind sie allerdings höchst unterschiedlich.

"Rain Dogs" mit Musik von Tom Waits

"Dimensions of Dance" am Staatstheater Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Ana Casquilho, Giovanni Napoli, Ria Girard und Gonçalo Martins da Silva in "Rain Dogs" | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Den Anfang macht Johan Ingers Choreografie "Rain Dogs" – auf die gleichnamige Musik von Tom Waits. Diese verwaschenen Songs, die so tun, als seien sie halb besoffen mitten in der Nacht in einer Bar aufgenommen worden, aber eigentlich von übermäßig harmonischer und formaler Pop-Schönheit sind, spiegeln dabei das Anliegen dieses Stücks. In den fließenden Bewegungen des Modern Dance schälen sich aus diesen Songs verschiedene Zustände der Zwischenmenschlichkeit heraus. Gewitzt, treffend, und dem reinen Tanz als Ausdrucksmittel beinahe vollends vertrauend. Die Augsburger Kompanie tanzt das mit Herz. Die Tänzer nehmen die vielen kleinen Details in der Bewegungssprache, die keck mal an Beyoncé, mal an Martha Graham erinnern, wunderbar ernst; und versehen sie aber gleichzeitig mit der Musik entsprechender Lässigkeit.

"Whim" – Tanz nah am Tanztheater

Völlig konträr dazu funktioniert Alexanders Ekmans "Whim". Die Bewegungen, die Sprache der Choreografie sind sehr viel eigenständiger. Als Requisit gibt es diesmal einen Stuhl für jeden Tänzer. Die kurze und offensive Assoziation zu Musicals à la "A Chorus Line" aber schwindet sofort – auch weil das Ensemble in seinen weißen Kitteln an sich etwas latent pathologisches, ja verstörendes hat. Der Tanz nun ist dem Tanztheater nah, aber dreht vermeintlich narrative Gesten ins Absurde. Etwa als das Ensemble in einer Reihe an der Rampe steht und die Namen der Tänzer in Gesten übersetzt darstellt.

"Satisfaction" als Rolling-Stones-Revue

"Dimensions of Dance" am Staatstheater Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Ria Girard, Terra Kell, Ana Casquilho, Gabriela Finardi und Yeonjae Jeong in "Satisfaction" | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr An ein Musical erinnert auch das letzte Stück des Abends. Der Augsburger Ballettchef Ricardo Fernando hat seine Rolling-Stones-Revue "Satisfaction" von 2017 mit seiner Kompanie erstmals einstudiert. Doch als das jüngste Stück der Reihe kommt es an die gebrochene Kraft der beiden vorhergegangen nicht heran. Auch hier geht es um Zwischenmenschlichkeit, um Pas de Deux, um Beziehungen. Der Tanz beeindruckt durch hohe Beine, durch klassische Ballett-Figuren und Rock'n'Roll-Moves. Jedoch illustrieren die Bewegungen die Songs beinahe so wie ein Kind Musik malen würde: Gitarren-Slides doppeln sich in geschliffenen Schritten auf dem Boden, die orientalische Gitarrenlinie in "Paint it Black" führt zu schlängelnden Bewegungen. Dazu: britische Telefonzellen als Bühnenbild und hübsche Sixties-Outfits. Am Ende bleibt der Raum zwischen der Musik der Stones und dem Bühnengeschehen zu eng – zu wenig Spielraum, zu wenig Dazwischen. Nach der Covid-Erfahrung und mit der gelockdownten Zwischenmenschlichkeit im Nacken kann dieser bloße getanzte Hedonismus in Form eines Nummernballetts nicht mehr ganz befriedigen.

Sendung: "Leporello" am 4. Oktober 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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