Schlabberlook oder Abendrobe - über die Frage, welche Kleidung in Oper oder Konzert angebracht ist, gehen die Meinungen weit auseinander. Das jedenfalls zeigen die Reaktionen und Kommentare der BR-KLASSIK-Community zum Artikel "Machen Kleider Leute".
Was zieh ich an? Eine Frage, die uns alle zu diversen Gelegenheiten belgeitet. Nirgendwo manifestiert sich der Übergang zwischen Privatheit und Öffentlichkeit wohl besser als in der Kleidung. Eigentlich sind Klamotten heute ganz klar eine Privatangelegenheit - wenn man nicht gerade beschließt, in Reizwäsche U-Bahn zu fahren. Doch es gibt Orte, an denen sich das Erscheinungsbild des Einzelnen mit dem der anderen und der Kraft des Ortes zu einem großen Ganzen vermengt.
Wie sehr das etwa in der Oper immer noch der Fall ist, zeigt sich auch daran, wie viele verschiedene Äußerungen der Artikel "Machen Kleider Leute?" hervorgerufen hat. BR-KLASSIK-Autor Gino Thanner vertritt darin die These: Es geht um die Kunst, nicht ums Kleid. Doch: "Zu jeder besonderen Veranstaltung gehört auch eine besondere Garderobe. Oper, Konzert, Ballet, Ball u.s.w. sind Ereignisse, die man nicht täglich erlebt. Demzufolge zieht man sich gebührend an", schreibt etwa Facebook-Userin Astrid B. Dazu gibt es auch die konträre Sichtweise: "Zum Glück hat sich hier sehr viel zum Positiven geändert. Selbst in Bayreuth geht mittlerweile ein normales Outfit", schreibt Reinhold K. im nächsten Post.
Natürlich gibt es Zwischentöne. Andrea T. vertritt einen Mittelweg: "Ich finde es hübsch anzuschauen, wenn Menschen sich aufbrezeln und tue das selbst auch gerne. Muss aber meinetwegen niemand machen." Und auch Barbara S. wirbt für Toleranz: "Über schräge Vögel oder Menschen in ihrer Alltagskleidung würde ich nie die Nase rümpfen. Ich hatte schon so manch angeblich 'schrägen Vogel' in weißem Knitterleinen mit Zimtlatschen oder mit Cowboystiefeln als Begleitung, allesamt Musiker."
Ein Argument der Befürworter besonderer Kleidung bei Oper- oder Konzertaufführungen ist der Respekt den Künstler*innen gegenüber: Denn die stellen sich auf die Bühne und bieten sich mit ihrer Kunst dem Publikum dar. In Jogginghose wie vor dem Fernseher zu sitzen, werde diesem Anlass nicht gerecht, heißt es bei vielen. "Angemessene Kleidung für ein besonderes Ereignis. Bringt mich in eine besondere Stimmung und zeigt auch Respekt vor dem Dargebotenen", drückt es Facebook-Userin Ingrid A. pragmatisch aus. "Alltagskleidung ist eine Missachtung der kulturellen Werte. Das entspricht eher Kino mit Cola und Popcorn", findet auch Peter K. Natürlich gibt es Ausnahmen – eine Facebook-Userin berichtet davon, kurzfristig eine Karte für die Salzburger Festspiele ergattert zu haben: Vorstellunsgbeginn in 30 Minuten. Da war keine Zeit mehr, das verschwitzte T-Shirt zu wechseln. Dem Kunstgenuss habe das aber keinen Abbruch getan.
Unter der privaten Einstellung zum Abendkleid im Theater liegt aber auch eine gesellschaftspolitische. Denn: "Oper ist eh für viele schwer zugänglich, drum ist’s schon gut, dass die Kleiderordnung (nach meinem Empfinden) immer lockerer wird, vielleicht ist dann schon mal eine Hürde weg", schreibt ein User auf Facebook und Christian N. fügt hinzu: "Zum Respekt gehört auch, den persönlichen Geschmack seiner Mitmenschen zu tolerieren, anstatt uns gegenseitig in Konventionen zu zwängen. Eine bestimmte Musikrichtung erfordert nicht zwingend einen bestimmten Kleidungsstil. Das ist überkommenes Normdenken." Gesellschaftliche Konventionen ändern sich, das zeigt die Diskussion der BR-KLASSIK-Community sehr deutlich.
Wie wichtig die Kleiderfrage tatsächlich ist, wissen natürlich auch die Häuser selbst - und sie reagieren darauf: "Mittlerweile finden sich hier nämlich alle Kleidungsstile, und keinen stört´s", so Tanja Brill, Pressesprecherin der Oper am Rhein Düsseldorf in einem Interview, "alles ist erlaubt. Und diese Vielfalt ist doch bereichernd.“ Die Komische Oper in Berlin betont auf ihrer Internetseite sogar: "Einen Dresscode gibt es nicht. (...) Individualität hat eindeutig Vorrang. Fühlen Sie sich nicht overdressed, fühlen Sie sich wohl!" Wichtigste Vorraussetzung, um Kunst entspannt und ohne Hürden zu genießen.